Venezianische Verführung (German Edition)
Lächeln erreichte seine Augen nicht. Er setzte sich ihr gegenüber auf die Chaiselongue. »Du bist erwachsen geworden, Nichte; hoffentlich erschöpft sich dies nicht im Äußeren.« Sein Lächeln war so süffisant, wie sie es kannte und hasste.
»Du hast keine Zimmer für meinen Diener und mich herrichten lassen.«
»Natürlich nicht.« Leandros entgeisterter Gesichtsausdruck entlockte ihr ein Lächeln. »Ich wusste ja nicht, wann oder ob du überhaupt kommst. Seit der Mitteilung, dass du zur Bestattung nicht kommst, hast du nichts von dir verlauten lassen«, sagte sie.
»Ich hatte andere Dinge zu tun.«
»Das war unhöflich.«
»Und von dir ist es unhöflich, mir nichts anzubieten.«
Aurora läutete nach der Dienerin. »Möchtest du eine heiße Schokolade?« fragte sie, da sie wusste, wie sehr er diese verabscheute.
»Nein, danke. Mir ist noch schlecht von dem, den du mir vor zwei Jahren angeboten hast. Gibt es hier keinen Wein?«
Aurora schluckte ihren Ärger hinunter. »Natürlich haben wir Wein.«
»Merlot?« fragte er.
»Nein. Wir leben hier schließlich nicht in Luxus.«
»Ein guter Wein ist kein Luxus.« Leandro gab der herbeigeeilten Dienerin die Anweisung, eine Karaffe mit Wein und zwei Gläser zu bringen. Leandro strich sich die langen dunkelbraunen Locken zurück, die er entgegen der Mode offen und ungepudert trug.
Sie konnte ihre Verärgerung, ihre Wut und ihre Enttäuschung nicht länger zurückhalten. »Wo warst du, als meine Eltern bestattet wurden?«
»In Lima und führte den letzten Auftrag aus, den dein Vater einholte. Ist das etwa kein Grund, einer Bestattung fernzubleiben?«
»Für dein Nichterscheinen gibt es keine Rechtfertigung.«
Leandro lächelte mokant. »Ich rechtfertige mich niemals.« Der Blick seiner dunklen Augen wanderte über sie. »Woher denkst du, kommt das Geld für deine hübschen Kleider? Wenn das Geschäft nicht ohne größere Unterbrechung weitergeführt wird, geht es zugrunde. Leichen bedürfen meiner Aufmerksamkeit nicht mehr.«
»Du bist kalt und pietätlos.«
»Und dein neuer Vormund. Gewöhne dich daran, meine Liebe, wenn du mit mir auskommen möchtest.«
Aurora starrte ihn entsetzt an. Als ihre Eltern starben, hatte sie gedacht, es könne nicht mehr schlimmer kommen. Sie hatte sich geirrt. Leandro war genauso kontrollsüchtig wie ihr Vater, wenn nicht sogar noch schlimmer.
»Und wenn ich nicht mit dir auskommen möchte?«
»Dann ist das dein Problem.«
»Ich bin volljährig und brauche keinen Aufpasser.«
»Dir bleibt keine Wahl. Du kannst das Geschäft nicht alleine führen. Ich werde dies für dich übernehmen, bis ich einen passenden Mann für dich gefunden habe.«
Er war genau wie ihr Vater, der stets über Eleonora und sie bestimmt hatte. Wut stieg in Aurora auf. »Den werde ich mir selbst aussuchen.«
Leandro hob eine Augenbraue. »Die falsche Wahl könnte den Ruin des Geschäftes bedeuten.«
»Diese Wahl ist allein meine Angelegenheit. Außerdem ist das Geschäft nicht alles.«
»Es ist das Erbe meines Vaters. Ich werde nicht zulassen, dass jemand es durch Unbedachtheit oder Dummheit zerstört.«
»Deine Schwester hat es aber an mich vererbt.«
»Es war ihre Mitgift. Deine Eltern wollten mich beide als deinen Vormund, falls ihnen etwas zustößt. Solange du nicht verheiratet bist, habe ich die Verfügungsgewalt darüber.«
Aurora umklammerte die Armlehne ihres Stuhls. »Ich glaube nicht, dass sie dieselbe Entscheidung getroffen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass du nicht zu ihrer Bestattung kommen würdest.« Sie vermutete, dass ihr Vater dies nur zugelassen hatte, weil Leandro das letzte Mitglied der Familie war.
»Tote treffen keine Entscheidungen mehr.«
Die Bedienstete brachte den Wein. Leandro schickte sie weg und füllte die Gläser selbst. Eines stellte er vor Aurora, die in den karminroten Wein starrte.
Er hob sein Glas. »Auf die Zukunft.«
Aurora ignorierte dies und ließ ihr Glas stehen. »Auf eine derartige Zukunft verzichte ich anzustoßen.«
Leandro sah sie schweigend an. Sein Blick war undeutbar und durchdringend zugleich. Als Aurora die Anspannung im Raum zu viel wurde, entschuldigte sie sich mit beginnender Migräne und verließ den Raum.
* * *
Zumindest trägt sie keine Zöpfe mehr, auch wenn sie keine Hochsteckfrisur hat, wie es schicklich wäre, dachte Leandro. Ihr silberblondes gewelltes Haar, das offen bis zu den Hüften reichte, gefiel ihm. Hierein wollte er sein Gesicht drücken und ihren
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