Venus im Pelz
Geliebte?«
»Auch nicht.«
»Welches Theater besucht er?«
»Heute abend ist er im Theater Nicolini, wo die geniale Virginia Marini und Salvini, der erste lebende Künstler Italiens, vielleicht Europas, spielen.«
»Sieh, daß du eine Loge bekommst – rasch! rasch!« befahl sie.
»Aber Herrin –«
»Willst du die Peitsche kosten?«
»Du kannst im Parterre warten«, sprach sie, als ich ihr Opernglas und Affiche auf die Logenbrüstung gelegt hatte und eben den Schemel zurechtschob.
Da stehe ich nun und muß mich an die Wand lehnen, um nicht umzusinken vor Neid und Wut – nein, Wut ist nicht das Wort dafür, vor Todesangst.
Ich sehe sie im blauen Moirékleide, mit dem großen Hermelinmantel um die bloßen Schultern in ihrer Loge und ihn ihr gegenüber. Ich sehe, wie sie sich gegenseitig mit den Augen verschlingen, wie für sie beide heute die Bühne, Goldonis Pamela, Salvini, die Marini, das Publikum, ja die Welt untergegangen ist – und ich, was bin ich in diesem Augenblicke? –
Heute besucht sie den Ball bei dem griechischen Gesandten. Weiß sie, daß sie ihn dort trifft?
Sie hat sich wenigstens darnach angezogen. Ein schweres meergrünes Seidenkleid schließt sich plastisch an ihre göttlichen Formen und zeigt Büste und Arme unverhüllt; in dem Haare, das einen einzigen flammenden Knoten bildet, blüht eine weiße Seerose, von der grünes Schilf, mit einzelnen losen Flechten vermischt, auf den Nacken herabfällt. Keine Spur mehr von Erregung, von jener zitternden Fieberhaftigkeit in ihrem Wesen, sie ist ruhig, so ruhig, daß mir das Blut dabei erstarrt, und ich mein Herz unter ihrem Blicke kalt werden fühle. Langsam, mit müder träger Majestät, steigt sie die Marmorstufen hinauf, läßt ihre kostbare Umhüllung herabgleiten und tritt nachlässig in den Saal, den Rauch von hundert Kerzen mit silbernem Nebel gefüllt hat.
Einige Augenblicke sehe ich ihr wie verloren nach, dann hebe ich ihren Pelz auf, der, ohne daß ich es wußte, meinen Händen entsunken war. Er ist noch warm von ihren Schultern.
Ich küsse die Stelle, und Tränen füllen meine Augen.
Da ist er.
In seinem, mit dunklem Zobel verschwenderisch ausgeschlagenen schwarzen Samtrock, ein schöner, übermütiger Despot, der mit Menschenleben und Menschenseelen spielt. Er steht im Vorsaal, sieht stolz umher und läßt seine Augen unheimlich lange auf mir ruhen.
Mich faßt unter seinem eisigen Blick wieder jene entsetzliche Todesangst, die Ahnung, daß dieser Mann sie fesseln, sie berücken, sie unterjochen kann, und ein Gefühl von Scham seiner wilden Männlichkeit gegenüber, von Neid, von Eifersucht.
Wie ich mich so recht als den verschraubten schwächlichen Geistesmenschen fühle! Und was das Schmachvollste ist: ich möchte ihn hassen und kann es nicht. Und wie kommt es, daß auch er mich, gerade mich unter dem Schwarm von Dienern herausgefunden hat.
Er winkt mich mit einer unnachahmlichen vornehmen Kopfbewegung zu sich, und ich – ich folge seinem Winke – gegen meinen Willen –
»Nimm mir den Pelz ab«, befiehlt er ruhig.
Ich zittere am ganzen Leibe vor Empörung, aber ich gehorche, demütig wie ein Sklave.
Ich harre die ganze Nacht im Vorsaal, wie im Fieber phantasierend. Seltsame Bilder schweben meinem innern Auge vorbei, ich sehe, wie sie sich begegnen – den ersten langen Blick – ich sehe sie in seinen Armen durch den Saal schweben, trunken, mit halbgeschlossenen Lidern an seiner Brust liegen – ich sehe ihn im Heiligtum der Liebe, nicht als Sklaven, als Herrn auf der Ottomane liegend und sie zu seinen Füßen, ich sehe mich ihn kniend bedienen, das Teebrett in meiner Hand schwanken und ihn nach der Peitsche greifen. Jetzt sprechen die Diener von ihm.
Es ist ein Mann wie ein Weib, er weiß, daß er schön ist und benimmt sich danach; er wechselt vier- bis fünfmal im Tage seine kokette Toilette, gleich einer eitlen Kurtisane.
In Paris erschien er zuerst in Frauenkleidern, und die Herren bestürmten ihn mit Liebesbriefen. Ein durch seine Kunst und Leidenschaft gleich berühmter italienischer Sänger drang bis in seine Wohnung und drohte, vor ihm auf den Knien, sich das Leben zu nehmen, wenn er ihn nicht erhöre,
»Ich bedaure«, erwiderte er lächelnd, »ich würde Sie mit Vergnügen begnadigen, aber so bleibt nichts übrig, als Ihr Todesurteil zu vollstrecken, denn ich bin – ein Mann.«
Der Saal hat sich schon bedeutend geleert – sie aber denkt offenbar noch gar nicht daran,
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