Verborgene Macht
nicht sicher...«, begann er.
»Alles in Ordnung, Leute.« Cassie griff nach Isabellas Händen und drückte sie ein wenig zu fest. »Mir geht es gut. Wir sehen uns bald. Versprochen.«
»Bist du dir sicher?«, fragte Jake, der Sir Alric jetzt mit unverhohlener Feindseligkeit musterte.
»Absolut.« Tatsächlich wünschte sie sich verzweifelt, dass die beiden endlich gingen. Sie war sich nicht sicher, wie lange sie sich noch daran hindern konnte, sich auf einen von ihnen zu stürzen. »Ehrlich, Jake. Bitte, geht. Es ist in Ordnung.«
Der junge Amerikaner holte tief Luft und griff nach Isabellas Hand. »Wir warten draußen. Bis gleich, Cassie.«
»Yep«, sagte sie schwach und verwandelte ein Zähneknirschen in ein Lächeln. Oh, bitte, bitte, GEHT!
Sie erhaschte einen letzten Blick auf Isabellas besorgtes Gesicht, bevor die Tür sich hinter ihren Freunden schloss, dann senkte sie die Lider. Ihr war schwindelig vor Hunger.
Cassie spürte, wie Sir Alric sie zurück aufs Sofa drückte. Gerade als der finstere, hässliche Portier, Marat, mit einer kleinen Ledertruhe auf sie zukam, machte sie die Augen wieder auf. Woher war er so lautlos aufgetaucht? Sie stützte sich benommen auf die Ellbogen.
»Sie müssen sich nähren, Cassandra.« Sir Alrics Stimme schien durch den Raum zu hallen, während Marat die Truhe behutsam vor ihr auf dem Mahagoni-Couchtisch abstellte.
»Ich kann nicht.«
»Sie haben wochenlang nichts zu sich genommen. Sie sterben. Ich hätte Sie niemals am Ende des letzten Trimesters gehen lassen sollen. Doch wer hätte das ahnen können. Ich verstehe nicht, warum der Hunger in Ihnen so schnell gewachsen ist, aber es ist geschehen. Und Sie müssen ihn stillen.«
Zu schwach, um zu weinen, stützte sie den Kopf in die Hände und stöhnte: »Ich kann nicht.«
»Sie müssen«, blaffte Sir Alric sie an. »Sie denken, Sie seien selbstlos; tatsächlich lassen Sie sich lediglich gehen. Was Ihnen zugestoßen ist, tut mir leid, Cassandra. Es tut mir leid, dass man Sie ausgetrickst hat. Aber ich trage ebenso Verantwortung für den Geist, der in Ihnen wohnt, wie für Sie.« Er nickte Marat zu, der einen silbernen Schlüssel in das Schloss der Truhe steckte.
Unsicher verfolgte Cassie die Bewegungen des Portiers. Auf dem Deckel der Truhe prangte ein Symbol, das sie sofort erkannte: ein fünf Zentimeter großes Muster aus verschlungenen, miteinander verflochtenen Linien. Sie hatte es früher schon gesehen, als Brandmal auf der Haut einiger spezieller Studenten der Dark Academy — wie auch verschwommen und gebrochen auf ihrem eigenen Schulterblatt. Sie wusste nicht, was das Muster bedeutete, aber sie wusste, wofür es stand.
Es war das Kennzeichen der Auserwählten.
Marat hob den Deckel an, und Sir Alric trat vor die Truhe und betrachtete voller Ehrfurcht eine Reihe von Kristallphiolen. Jede einzelne Phiole trug ebenfalls das Kennzeichen der Auserwählten und war für sich allein genommen schon schön — doch ihr durchsichtiger Inhalt leuchtete wie flüssige Perlen und sandte Lichtschimmer durch das zarte Kristall. Einen Moment lang war Cassie so fasziniert, dass sie beinahe ihren quälenden Hunger vergaß.
Sir Alric nickte dem Portier erneut zu. Der kleine Behälter, den Marat aus einer Tasche zog, hätte sich nicht krasser von der hübschen Truhe abheben können: eine weiße Plastikschachtel mit Klappdeckel. Der Portier streifte Latexhandschuhe über, öffnete die Schachtel ohne großes Federlesen und nahm ein versiegeltes Plastikpäckchen heraus. Dieses riss er auf und förderte daraus eine Einmalspritze zutage.
Cassies Augen weiteten sich. »Was ist das?«
Sir Alric zog ebenfalls Handschuhe an. Er war ganz kühl und geschäftsmäßig geworden. »Nennen Sie es eine vorläufige Maßnahme, Cassandra.«
Behutsam stach Sir Alric die Nadel in eine der Phiolen und zog eine kleine Menge der perlfarbenen Flüssigkeit auf. »Sie müssen lernen, sich zu nähren. Aber dies«, sagte er und hob die Spritze, »wird uns einige Tage Aufschub geben.«
»Was ist das?« Furchtsam betrachtete sie die Nadel. »Was ist das? Ich werde Ihnen nicht erlauben, das in mich hineinzuspritzen!«
Als sie versuchte, sich wegzudrehen, wurde Cassie von kräftigen Händen an den Schultern gefasst, zurück aufs Sofa gepresst und festgehalten. Marat. Er stand hinter ihr und es gab kein Entkommen. Mein Gott, war er stark. Sein schraubstockähnlicher Griff ließ ihr keine Chance. Trotzdem wehrte sie sich heftig, als Sir Alric sich ihr
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