Verborgene Sehnsucht
1
Die Lichter schwankten und hüpften wie Quallen unter der Höhlendecke auf und ab, als Rikar unter ihnen hinwegflog. Weiße Schuppen glänzten im dämmrigen Licht und malten einen Sternenregen in schillernden Farben auf die Stalagmiten und unebenen Steinwände. Rikar bemerkte den Regenbogen nicht. Hörte nicht, wie seine Klauen über den Granit kratzten oder wie das Wasser von seinen Flügelspitzen auf die Landezone spritzte. Seine Konzentration war absolut. Er hatte nur ein einziges Ziel.
Er würde den Kerl umbringen. Ihn aufschlitzen wie eine Dose Sardinen. Und ihn dabei zum Singen bringen wie einen Kanarienvogel.
Glücklicherweise hatte er es nicht weit.
Der Wichser lag sieben Stockwerke unter dem Black Diamond, dem Quartier, das er mit den anderen Nightfury-Drachen teilte, in Ketten. Dass sich der Feind in Reichweite befand, hätte ihm gefallen sollen. Aber heute Nacht konnte ihn nichts mehr glücklich machen. Den Kampf – die gesamte Rettungsaktion – zierte ein riesiger roter VERMASSELT -Stempel. Die totale Katastrophe, von Anfang bis Ende. Das einzig Gute daran? Bastian hatte seine Frau wieder … hatte sie gerade noch rechtzeitig aus den Klauen der Feinde befreit.
Es sollte ihn freuen. Seine Kameraden und er sollten sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und prahlen, Kampfgeschichten erzählen, die ganze Aktion bei Tequila und Zitronenspalten noch einmal durchleben. Aber das war definitiv nicht drin. Nicht heute Nacht. Nicht, solange noch eine Frau vermisst wurde.
Klar. Vermisst.
Verdammtes Wunschdenken.
Rikars Magen zog sich zu einem Knoten zusammen. Die Razorback hatten sie mitgenommen. Er wusste es, so wahr er hier stand, mit vier Pranken auf dem Boden und prickelnden Hörnern, während ihm jeder Herzschlag Seelenqualen durch die Adern pumpte. Sie war in den Händen ihrer Feinde, der Gnade Ivars ausgeliefert, dem Anführer der Abtrünnigen.
Mit einem Knurren legte er die Flügel an, stieg über den zerbeulten Honda in der Mitte der LZ und versuchte, nicht daran zu denken, was die Bastarde ihr gerade antaten. Aber … Gott stehe ihm bei. Er konnte sein Gehirn nicht einfach ausschalten. Nicht atmen, ohne dass seine Fantasie aufbrandete und ihm schreckliche Bilder vorspielte.
Himmel, er musste sie zurückbekommen. Er musste das Quartier der Razorback aufspüren und sie befreien, bevor …
Rikar schluckte das Brennen in seiner Kehle hinunter. Was für ein Durcheinander. Die Begierde. Die Besessenheit. Der Schmerz.
Er hatte diese Frau nur ein Mal getroffen. Hatte ein paar Stunden damit verbracht, sich von ihr im Billard fertigmachen zu lassen. Okay, das war gelogen. Es war ein bisschen mehr passiert als das. Aber er weigerte sich, daran zu denken, wie sie ihn genährt hatte … oder wie gut sie geschmeckt hatte. Rikar schüttelte den Kopf, Wassertropfen spritzten, während er versuchte zu vergessen. Sein Verhalten. Ihre Zustimmung. Die Tatsache, dass sich seine eisige Seite nach mehr sehnte, nach einer weiteren Runde im Ring mit der Frau, die ihre Kraft direkt aus dem Meridian zog. Aus der Energiequelle, die das Drachenblut nährte.
Zu was machte ihn das? Zu einem Geisteskranken? Einem Krieger ohne Ehre oder Gewissen? Ja, zweifellos. Die Frau, an die er sich nicht erinnern wollte, aber nicht vergessen konnte, war verschwunden. Ging wahrscheinlich gerade durch die Hölle, litt in den Händen eines Razorback, und was tat er? Träumte davon, Dinge mit ihr zu tun, die er nicht tun sollte.
Angela Keen. Von und zu Wunderbar, mit irrer Energie und haselnussbraunen Augen. Himmel, er wollte sie wiederhaben. Sie in Sicherheit wissen. Er wollte die Uhr zurückdrehen und die letzten drei Stunden ungeschehen machen. Vielleicht könnte er dann verhindern, dass seine Feinde sie überhaupt in die Hände bekamen.
Angela.
Flüsternd hallte ihr Name durch seinen Geist: wieder und wieder, wieder und wieder. Ein Zittern lief durch seinen Körper, brachte die Stacheln auf seinem Rückgrat zum Rasseln, als ihr Gesicht vor seinem inneren Auge erschien. Er versuchte gewaltsam, das Bild zu löschen, genauso wie ihr ansässiges Computergenie Informationen von seiner Festplatte löschte. Aber die Erinnerung war eine knifflige Angelegenheit: schwer zu kontrollieren, unmöglich zu ignorieren. Und als die hinterhältigen Neuronen fortfuhren, ihm fleißig weiter Bilder in den Kopf zu pflanzen, akzeptierte er die Wahrheit. Er wünschte sich, er wäre in jener Nacht bei ihr geblieben, hätte alles genommen, was sie ihm
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