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Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege

Titel: Verbotene Wege - Link, C: Verbotene Wege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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vorgestellt. Der Mann, vor dem Europa gezittert hatte, der von einem Sieg zum nächsten geritten war, der Mann, von dem die Geschichte reden würde — er saß dort auf seinem Pferd in zerrissenen Kleidern, kaum noch fähig, sich aufrecht zu halten, mit tränenüberströmtem Gesicht und am ganzen Körper zitternd.
    Niemals wieder, daß wußte jeder, der ihn so sah, würde er versuchen, Triumphe zu feiern.
    Von ferne waren Schüsse zu hören. Alle zuckten zusammen. Bonaparte hob mühsam den Kopf.
    »Die Preußen!« rief er. »Wir müssen weiter!«
    Schon trieben die Reiter ihre Pferde wieder an. Schüsse und Trommelwirbel klangen bereits näher. Joanna trat zurück.
    »Edward, ich...«, begann sie, hielt dann aber inne. »Wo ist Edward?«
    Die anderen blickten sich um.
    »Monsieur hat soeben das Zimmer verlassen«, erklärte der Wirt, »ich weiß nicht, wohin er gegangen ist.«
    Joanna stieß alle beiseite und drängte sich hinaus in den Gang. Die Tür nach draußen stand offen. Einen Moment verharrte sie, weil sie nicht gleich begreifen wollte, aber dann rannte sie hinaus. Die Nachtluft umfing sie samtweich und warm, die vorüberziehenden Soldaten starrten sie aus leeren Augen an. Sie blieb auf
den grasbewachsenen Stufen stehen, die Hände gegen ihr hämmerndes Herz gedrückt, den Mund geöffnet in hilflosem, grausamem Schrecken.
    »Edward!« schrie sie. Scharen von Männern gingen an ihr vorbei, aber sie konnte Edward unter ihnen nicht entdecken. Sie eilte die Treppe hinab, durch das wuchernde, disteldurchsetzte Gras des Gartens. Sie schob sich an den Fliehenden vorüber, stieß jeden rücksichtslos fort, der ihr in den Weg kam, wurde schließlich von dem Strom ergriffen und mit vorangetrieben. Sie stolperte vorwärts, längst barfuß, weil sie ihre Schuhe verloren hatte. Sie schrie nach Edward, aber sie bekam keine Antwort. Niemand achtete auf sie. Es gelang ihr, sich an einem Baum festzuklammern, bevor sie noch weiter mitgerissen wurde. Sie konnte keinen Schritt mehr tun, so schwach fühlte sie sich plötzlich, und sie wußte, daß die Horde über sie hinwegtrampeln würde, wenn sie hinfiele. Sie rief noch einmal, mit bereits erschöpfter Stimme nach Edward, aber wieder antwortete ihr niemand. Irgendein Soldat sah sie mitleidig an, ohne daß sie es richtig wahrnahm. Sie konnte es kaum fassen, aber in ihr dämmerte eine Ahnung, die sie instinktiv als Wahrheit erkannte: Edward hatte seinen Plan ausgeführt. Er war sie losgeworden, er hatte sie verlassen. Er trieb irgendwo mit dieser Welle von Flüchtlingen unerkannt der französischen Grenze zu. Sie würde ihn niemals wiedersehen.

8
    Mit langsamen Schritten wanderte Joanna durch den Park von Heron Hall. Sie ging so, als sei sie in tiefe Gedanken versunken, dabei betrachtete sie in Wirklichkeit wach und aufmerksam jeden Baum und jede Blume am Wegesrand. Sie trug ein leichtes Sommerkleid, hatte sich aber einen Schal aus Wolle um die
Schultern gelegt, denn die Luft wurde bereits sehr kühl. Es war ein Augustabend, und die Sonne ging gerade leuchtend rot im Westen unter, sanfte graue Schatten breiteten sich über die Wiesen, die Vögel zwitscherten lauter, und der Wind, der vom Meer her kam und der in Joannas Empfindungen immer nach den braunen Klippen und den tangbewachsenen Felsbrocken von Hunstanton roch, wurde ruhig. In ihm schwang heute ein starker Duft von frischgemähtem Gras mit; sicher waren irgendwo die Bauern bereits bei der Heuernte, und ihre beladenen Leiterwagen rollten über die Feldwege gemächlich den Höfen und Scheunen zu.
    Eine Stimmung von Ruhe und Frieden und der ganzen satten Zufriedenheit eines Sommerabends lag über dem Land. Auf den Wiesen von Norfolk hatten lange schon keine Schlachten mehr stattgefunden, ihr Gras stand so grün und hoch wie jedes Jahr, und die dichten Blätter der Laubwälder rauschten.
    Joanna ging über die vertrauten Wege ihres Parks. Hier hatte sie den größten Teil ihres Lebens verbracht, und nun, zwölf Jahre nachdem sie Edward Gallimore geheiratet hatte, war es ihr, als begrüße sie mit jedem Schritt einen alten Bekannten. Sie fand die knorrige, jahrhundertealte Eiche wieder, auf die sie und Elizabeth als Kinder manchmal geklettert waren, sie balancierte über die schmale, schwankende Holzbrücke, die über den Bach führte und von der die Kinder stets gehofft hatten, sie werde einmal unter Agatha zusammenbrechen und samt der alten Kinderfrau ins Wasser fallen. Sie sah die Weide, auf der die Ponys gegrast hatten,

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