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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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zuwenden. Ich muß gestehen, diese Frage ist meine Schwäche. Dieser abscheuliche, eines Husaren oder eines Puschkin würdige Ausdruck ist im künftigen Lexikon undenkbar. Was sind Hörner? Oh, diese Verirrung! Was für Hörner? Warum Hörner?,.. Welch ein Unsinn! Im Gegenteil, in der ›bürgerlichen‹ Ehe wird es sie gar nicht geben! Die Hörner sind nur eine natürliche Folge der legitimen Ehe, sozusagen eine Korrektur dieser Ehe, ein Protest, so daß sie in diesem Sinne gar nicht erniedrigend sind ... Und wenn ich einmal – nehmen wir mal diesen Unsinn an – eine legitime Ehe eingehe, so werde ich mich über Ihre dreimal verfluchten Hörner sogar freuen; ich werde dann meiner Frau sagen: ›Mein Freund, bisher habe ich dich bloß geliebt, jetzt achte ich dich aber auch, weil du es verstanden hast, zu protestieren!‹ Sie lachen! Das kommt, weil Sie sich von den Vorurteilen noch nicht losreißen können! Der Teufel noch einmal; ich verstehe ja sehr gut, warum es so unangenehm ist, in der legitimen Ehe betrogen zu werden: es ist aber nur die schändliche Folge der schändlichen Tatsache, wo beide Teile gleich erniedrigt sind. Wenn aber die Hörner ganz offen aufgesetzt werden, wie zum Beispiel in der bürgerlichen Ehe, so existieren sie nicht mehr, sind undenkbar und verlieren sogar die Benennung ›Hörner‹. Im Gegenteil, Ihre Frau zeigt Ihnen nur, wie sehr sie Sie achtet, indem sie Sie für unfähig hält, ihrem Glücke im Wege zu stehen, und für aufgeklärt genug, um an ihr wegen des neuen Gatten keine Rache zu nehmen. Hol's der Teufel – zuweilen denke ich mir, daß, wenn ich verheiratet wäre (ganz gleich, ob bürgerlich oder legitim), ich meiner Frau wohl selbst einen Geliebten zuführen würde, falls sie sich selbst lange keinen anschaffte. ›Mein Freund,‹ würde ich ihr sagen, ›ich liebe dich, will aber obendrein, daß du mich auch achtest, – hier!‹ Habe ich nicht recht?« ...
    Pjotr Petrowitsch hörte zu und kicherte, doch ohne besondere Begeisterung. Er hörte sogar wenig zu. Er war wirklich mit anderen Gedanken beschäftigt, was auch Lebesjatnikow schließlich merkte. Pjotr Petrowitsch war nachdenklich, sogar aufgeregt, und rieb sich die Hände. Andrej Ssemjonowitsch erinnerte sich später dieses Benehmens und fand dafür auch eine Erklärung ...
     
II
     
    Es wäre schwer, genau die Gründe anzugeben, die im verstörten Gehirn Katerina Iwanownas die Idee dieses sinnlosen Totenmahles gezeitigt hatten. Von den zwanzig Rubeln, die sie von Raskolnikow eigentlich zur Beerdigung Marmeladows bekommen hatte, waren wirklich nahezu zehn Rubel draufgegangen. Vielleicht hielt es Katerina Iwanowna für eine Pflicht gegen den Verstorbenen, sein Gedächtnis »so wie es sich gehört« zu ehren, damit alle Mieter und insbesondere Amalia Iwanowna wissen, daß er »nicht nur gar nicht ärger als sie, vielleicht sogar viel besser« gewesen sei und daß niemand von ihnen das Recht habe, über ihn »die Nase zu rümpfen«. Vielleicht spielte hier am meisten jener besondere »Stolz der Armen« mit, der manchen Bettler bei gewissen öffentlichen Gebräuchen bewegt, die letzten Kräfte anzuspannen und die letzten Spargroschen auszugeben, nur um »nicht ärger als die anderen« zu sein, damit jene anderen nichts auszusetzen haben. Sehr wahrscheinlich war auch, daß Katerina Iwanowna den Wunsch hatte, gerade bei dieser Gelegenheit, gerade in diesem Augenblick, wo sie von der ganzen Welt verlassen schien, allen diesen »elenden und gemeinen Mietern« zu zeigen, daß sie nicht nur »zu leben und Gäste zu empfangen« verstehe, sondern auch, daß sie nicht zu einem solchen Lose erzogen worden sei, daß sie ihre Erziehung »in einer vornehmen, man kann wohl sagen, aristokratischen Oberstenfamilie« genossen habe und durchaus nicht bestimmt gewesen sei, selbst die Böden zu kehren und nachts die Kinderlumpen zu waschen. Diese Anfälle von Stolz und Eitelkeit kommen zuweilen bei den ärmsten und niedergedrücktesten Menschen vor und werden ihnen manchmal zu einem unaufhaltsamen und brennenden Bedürfnis. Katerina Iwanowna fühlte sich aber dabei gar nicht niedergedrückt: man konnte sie wohl durch Umstände ganz erdrücken, doch nicht moralisch niederdrücken , das heißt, einschüchtern und ihren Willen dem seinen unterwerfen. Außerdem hatte Ssonjetschka recht, wenn sie sagte, daß ihr Verstand verstört sei. Positiv und endgültig konnte man das allerdings noch nicht behaupten, aber ihr armer Kopf hatte in der

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