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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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unabhängigen Weg zu kommen ... Nun ... das ist alles ... Daß ich die Alte ermordet habe, war natürlich schlecht von mir ... nun ist's genug!«
    In völliger Erschöpfung hatte er das Ende seiner Rede erreicht und ließ den Kopf sinken.
    »Ach, das ist nicht das, das ist nicht das!« rief Ssonja voll Gram. »Kann man denn so ... nein, es ist nicht so, nicht so!«
    »Du siehst doch selbst, daß es nicht so ist! ... Und doch habe ich aufrichtig gesprochen, habe die reine Wahrheit gesagt! ...«
    »Was ist es denn für eine Wahrheit! O Gott!«
    »Ich habe doch nur eine Laus getötet, Ssonja, eine unnütze, häßliche, schädliche Laus.«
    »Was, ein Mensch ist eine Laus?«
    »Das weiß ich auch selbst, daß er keine Laus ist«, antwortete er und sah sie sonderbar an. »Aber ich rede Unsinn, Ssonja,« fügte er hinzu, »ich rede schon lange Unsinn ... Das ist alles nicht das Richtige; du hast recht. Es sind ganz, ganz andere Gründe dabei! ... Ich habe schon lange mit niemand gesprochen, Ssonja ... Mein Kopf tut mir jetzt so weh.«
    Seine Augen brannten wie im Fieber. Er begann fast zu phantasieren; ein unruhiges Lächeln irrte um seine Lippen. Durch die große seelische Erregung ließ sich schon eine furchtbare Ohnmacht erkennen. Ssonja begriff, wie er sich quälte. Auch ihr schwindelte schon der Kopf. Auch sprach er so merkwürdig: es kam ihr zwar verständlich vor, und doch ... »Aber wie! Aber wie! O Gott!« Und sie rang in Verzweiflung die Hände.
    »Nein, Ssonja, das ist nicht das Richtige!« begann er wieder und hob plötzlich den Kopf, als hätte ihn eine jähe Wendung der Gedanken überrascht und von neuem erregt. »Das ist nicht das Richtige! Besser ... nimm an (ja, so ist es wirklich besser!), nimm an, ich sei egoistisch, neidisch, böse, gemein, rachsüchtig und ... neige vielleicht auch zum Irrsinn. (Besser schon alles auf einmal! Daß ich irrsinnig sei, davon hat man schon früher gesprochen, ich habe es gemerkt!) Ich habe dir vorhin gesagt, daß ich auf der Universität meinen Unterhalt nicht bezahlen konnte. Weißt du aber, daß es vielleicht auch ginge? Die Mutter hätte mir das Lehrgeld geschickt, und für Stiefel, Kleider und Brot hätte ich selbst verdienen können, sogar ganz gewiß! Ich hätte auch Stunden erteilen können: fünfzig Kopeken bot man mir für die Stunde. Rasumichin arbeitet doch! Ich wurde böse und wollte nicht. Ja, ich wurde böse (das ist ein guter Ausdruck!). Und ich verkroch mich wie eine Spinne in meinen Winkel. Du warst doch in meinem Loch, hast es gesehen ... Weißt du aber auch, Ssonja, daß die niedrigen Decken und enge Zimmer Seele und Herz erdrücken! O, wie hasse ich dieses Loch! Und doch wollte ich es nicht verlassen. Wollte es absichtlich nicht! Tagelang kam ich nicht heraus und wollte nicht arbeiten, wollte auch nicht essen, lag immer da. Wenn Nastasja mir was bringt, so esse ich es; bringt sie nichts, so vergeht der Tag auch so; absichtlich, zum Trotz verlangte ich kein Essen! Abends habe ich kein Licht und liege im Finstern, aber arbeiten, um mir eine Kerze kaufen zu können, will ich nicht. Ich müßte studieren, hatte aber die Bücher verkauft; in meinem Zimmer liegt auf den Heften und Notizen fingerdick der Staub. Ich zog es vor, zu liegen und zu denken. Ich dachte immer nach ... Und ich hatte immer Träume, so verschiedene merkwürdige Träume, ich will gar nicht sagen, was für welche! Aber auch dann kam es mir zuweilen vor, daß ... Nein, es ist nicht so! Ich erzähle wieder falsch! Siehst du: ich fragte mich damals immer: warum bin ich so dumm, daß ich, wenn die anderen dumm sind und ich weiß, daß sie dumm sind, gar nicht klüger sein will als sie? Dann erfuhr ich, Ssonja, daß man lange warten müßte, bis alle Menschen klug werden. Und dann erfuhr ich auch, daß das niemals eintreten wird, daß die Menschen sich nicht verändern werden und daß niemand sie ändern kann, – es ist nicht der Mühe wert! Ja, so ist es! ... Das ist ihr Gesetz, ihr Gesetz, Ssonja! So ist es! ... Und ich weiß jetzt, Ssonja, daß, wer an Geist und Verstand stark und rüstig ist, auch ein Herrscher über sie ist! Wer vieles wagt, der hat bei ihnen recht. Wer auf das meiste spuckt, der ist für sie der Gesetzgeber, und wer am meisten von allen wagen kann, der hat auch mehr Recht als alle! So war es immer, und so wird es immer bleiben! Nur ein Blinder sieht es nicht!«
    Als Raskolnikow das sagte, sah er Ssonja zwar an, kümmerte sich aber nicht mehr darum, ob sie ihn verstehen

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