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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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noch heute einsperren ... Das macht aber nichts, Ssonja! Ich werde eine Zeitlang sitzen, und sie werden mich wieder herauslassen ... denn sie haben keinen einzigen wirklichen Beweis und werden auch keinen haben, mein Wort darauf. Aber mit den Beweisen, die sie haben, kann man einen Menschen nicht verurteilen. Nun ist's genug ... Ich sage es nur, damit du es weißt ... Meiner Mutter und meiner Schwester werde ich es auszureden versuchen, damit sie nicht erschrecken ... Meine Schwester scheint jetzt übrigens versorgt zu sein ... also auch die Mutter ... Nun, das ist alles. Sei übrigens vorsichtig. Wirst du zu mir ins Zuchthaus kommen, wenn ich sitzen werde?«
    »O, ich werde kommen, ich werde kommen!«
    Sie saßen beide nebeneinander, traurig und erdrückt, als wären sie nach einem Sturme allein an einen öden Strand gespült worden. Er sah Ssonja an und fühlte ihre Liebe auf sich ruhen, und seltsam: so schwer und schmerzvoll war ihm plötzlich das Gefühl, daß er so geliebt wurde. Ja, es war ein sonderbares, schreckliches Gefühl! Als er zu Ssonja ging, ahnte er, daß in ihr seine ganze Hoffnung und sein einziger Ausweg sei; er hoffte wenigstens einen Teil seiner Qual abzuwälzen; aber jetzt, als ihr Herz sich ihm ganz zugewandt hatte, fühlte und erkannte er plötzlich, daß er unvergleichlich unglücklicher geworden war.
    »Ssonja,« sagte er, »komm lieber nicht zu mir, wenn ich im Zuchthaus sitzen werde.«
    Ssonja antwortete nicht; sie weinte. Es vergingen einige Minuten.
    »Hast du ein Kreuz an der Brust?« fragte sie ihn plötzlich ganz unvermittelt, als sei es ihr so eingefallen ... »Nein, du hast doch keins? Hier, nimm dieses aus Zypressenholz. Ich habe noch ein anderes, aus Messing, von Lisaweta. Wir hatten getauscht: Lisaweta gab mir ihr Kreuz, und ich gab ihr mein Heiligenbildchen. Jetzt will ich das von Lisaweta tragen, und dieses gebe ich dir. Nimm's ... es ist doch von mir. Doch von mir!« bat sie ihn. »Wir gehen doch zusammen, um zu leiden, werden auch zusammen das Kreuz tragen!«
    »Gib's her!« sagte Raskolnikow.
    Er wollte sie nicht kränken. Doch er zog sofort die Hand, die er nach dem Kreuz ausgestreckt hatte, wieder zurück.
    »Nicht jetzt, Ssonja. Lieber später«, fügte er hinzu, um sie zu beruhigen.
    »Ja, lieber später, lieber später«, fiel sie ihm begeistert ins Wort: »Wenn du gehst, um das Leid auf dich zu nehmen, dann wirst du es nehmen. Du wirst zu mir kommen, ich werde es dir umhängen, wir werden beten und gehen.«
    In diesem Augenblick klopfte jemand dreimal an die Tür.
    »Ssofja Ssemjonowna, darf ich zu Ihnen?« fragte eine bekannte höfliche Stimme.
    Ssonja stürzte erschrocken zur Tür. Der blonde Kopf des Herrn Lebesjatnikow blickte ins Zimmer hinein.
     
V
     
    Lebesjatnikow sah sehr erregt aus.
    »Ich komme zu Ihnen, Ssofja Ssemjonowna. Entschuldigen Sie ... Das dachte ich mir, daß ich Sie hier treffe«, wandte er sich plötzlich an Raskolnikow. »Das heißt, ich dachte mir eigentlich nichts ... Derartiges ... aber ich glaubte gerade ... Dort bei uns ist Katerina Iwanowna verrückt geworden«, wandte er sich unvermittelt wieder an Ssonja, ohne den an Raskolnikow gerichteten Satz zu beenden.
    Ssonja schrie auf.
    »Das heißt, es kommt mir wenigstens so vor. Übrigens ... Wir wissen gar nicht, was wir tun sollen, das ist es! Sie kam zurück – man hat sie, scheint es, irgendwo hinausgeworfen, vielleicht auch geschlagen ... es scheint wenigstens so ... Sie war zum Vorgesetzten Ssemjon Sacharowitschs gelaufen und hatte ihn nicht zu Hause getroffen; er war bei einem anderen Geheimrat zu Mittag geladen ... Und denken Sie sich nur: sie lief dann dorthin, wo er geladen war ... zu jenem anderen Geheimrat, und, denken Sie sich nur, sie setzte es durch, daß der Vorgesetzte Ssemjon Sacharowitschs zu ihr herauskam, ich glaube sogar von der Tafel ... Sie können sich denken, was da kam. Man warf sie natürlich hinaus; und sie erzählt, daß sie ihn selbst beschimpft und ihm sogar etwas ins Gesicht geworfen habe. Das klingt sehr wahrscheinlich ... Daß man sie nicht festgenommen hat, verstehe ich einfach nicht! Jetzt erzählt sie es allen, auch der Amalia Iwanowna, man kann aber schwer etwas verstehen: sie schreit und tobt ... Ach, ja: sie schreit und sagt, daß sie, da alle sie verlassen haben, mit den Kindern und einem Leierkasten auf die Straße ziehen wird: die Kinder werden singen und tanzen, und sie auch, und Geld sammeln und jeden Tag vors Fenster des Geheimrats gehen ...

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