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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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tiefem Erstaunen, als wäre sie noch nicht zu sich gekommen. »Wie konnten Sie, Sie, solch ein Mensch , sich zu so was entschließen?!«
    »Na ja, um zu rauben. Hör auf, Ssonja!« antwortete er müde und fast ärgerlich.
    Ssonja stand wie niedergeschmettert da, rief aber plötzlich aus:
    »Du warst hungrig! Du ... um deiner Mutter zu helfen? Ja? ...«
    »Nein, Ssonja, nein«, stammelte er abgewandt und mit gesenktem Kopf. »Ich war gar nicht so hungrig ... ich wollte wirklich der Mutter helfen, aber ... auch das ist nicht ganz richtig ... quäle mich nicht, Ssonja.«
    Ssonja schlug die Hände zusammen.
    »Ist es denn wirklich, wirklich wahr? Mein Gott, was ist das für eine Wahrheit? Wer kann es glauben? ... Wie können Sie selbst das Letzte hergeben, wo Sie gemordet und geraubt haben! Ah! ...« schrie sie plötzlich. »Das Geld, das Sie Katerina Iwanowna gegeben haben ... dieses Geld ... Mein Gott, ist denn auch dieses Geld ...«
    »Nein, Ssonja«, unterbrach er sie hastig, »es war anderes Geld, beruhige dich! Dieses Geld hat mir meine Mutter geschickt durch einen Kaufmann; ich erhielt es, als ich krank war, am gleichen Tage, an dem ich es hergab ... Rasumichin hat es gesehen ... er hat auch das Geld für mich übernommen ... dieses Geld war wirklich mein eigenes.«
    Ssonja hörte verständnislos zu und bemühte sich mit aller Kraft, etwas zu verstehen.
    »Und jenes Geld ... ich weiß übrigens gar nicht, ob dort überhaupt Geld war«, fügte er leise und nachdenklich hinzu. »Ich habe ihr damals einen Beutel vom Halse genommen, einen wildledernen ... einen vollgestopften dicken Beutel ... und habe gar nicht hineingeschaut; hatte wahrscheinlich keine Zeit dazu ... Nun, und die Sachen, irgendwelche Hemdknöpfe und Kettchen – alle diese Sachen habe ich am nächsten Morgen auf einem fremden Hofe, auf dem W–schen Prospekt unter einem Stein versteckt ... Alles liegt jetzt noch dort ...«
    Ssonja hörte gespannt zu.
    »Nun, warum denn ... warum sagten Sie: um zu rauben, haben aber nichts genommen?« fragte sie schnell, wie nach einem Strohhalme greifend.
    »Ich weiß nicht ... ich habe es mir noch nicht überlegt, ob ich das Geld nehmen werde oder nicht«, sagte er wieder nachdenklich; plötzlich kam er zu sich und lachte schnell und kurz auf. »Ach, was für eine Dummheit habe ich eben gesagt, wie?!«
    Ssonja kam schon der Gedanke: – Ist er nicht wahnsinnig? – Aber sie gab ihn gleich wieder auf: – Nein, hier ist etwas anderes! – Sie verstand davon nichts, gar nichts.
    »Weißt du, Ssonja«, sagte er plötzlich, wie einer Eingebung folgend. »Weißt du, was ich dir sagen werde: Wenn ich nur darum gemordet hätte, weil ich hungrig war«, fuhr er fort, jedes Wort betonend und sie rätselhaft, aber aufrichtig anblickend, »so wäre ich jetzt glücklich ! Merke dir das! Und was hättest du davon«, rief er nach einem Augenblick in Verzweiflung, »was hättest du davon, wenn ich dir gleich gestanden hätte, daß ich schlecht gehandelt habe? Was hättest du von diesem dummen Triumphe über mich? Ach, Ssonja, bin ich denn deswegen jetzt zu dir gekommen?«
    Ssonja wollte wieder etwas sagen, sagte aber nichts.
    »Darum habe ich dich auch gestern gerufen, mit mir zu kommen, weil nur du allein mir geblieben bist.«
    »Wohin gerufen?« fragte Ssonja.
    »Nicht um zu stehlen und nicht um zu morden, beruhige dich! ... nicht dazu«, sagte er mit spöttischem Lächeln. »Wir sind zu verschiedene Menschen ... Weißt du, Ssonja, ich habe erst jetzt, erst eben begriffen, wohin ich dich gestern rief! Als ich dich gestern rief, wußte ich selbst noch nicht, wohin. Nur das eine wollte ich, als ich dich rief, als ich zu dir kam: daß du mich nicht verlassest. Wirst du mich nicht verlassen, Ssonja?«
    Sie drückte ihm die Hand.
    »Und warum, warum habe ich es ihr gesagt, warum habe ich es ihr enthüllt?!« rief er voll Verzweiflung nach einer Minute aus und sah sie mit unendlicher Qual an. »Da erwartest du von mir Erklärungen, sitzt und wartest, ich sehe es; was kann ich dir aber sagen? Du wirst doch nichts davon verstehen, wirst dich bloß quälen ... um meinetwillen! Nun, du weinst und umarmst mich wieder – warum umarmst du mich? Weil ich es selbst nicht tragen konnte und zum andern kam, um es auf ihn abzuwälzen: ›Leide auch du, damit ich es leichter habe!‹? – Kannst du denn einen solchen Schurken lieben?«
    »Quälst du dich denn nicht auch?« rief Ssonja aus.
    Wieder überströmte das gleiche Gefühl seine Seele und

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