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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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will ihn mal besuchen. Ich komme herauf, die Tür steht weit offen; ich sah mich um, wartete und meldete mich nicht mal bei ihrer Dienstmagd, und dann ging ich wieder fort. Sie pflegen Ihr Zimmer nicht abzuschließen?«
    Raskolnikows Gesicht verfinsterte sich immer mehr. Porfirij hatte seine Gedanken gleichsam erraten.
    »Ich komme her, liebster Rodion Romanowitsch, um mich mit Ihnen auszusprechen! Ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig«, fuhr er mit einem Lächeln fort und klopfte ihn sogar leicht mit der Hand aufs Knie.
    Aber sein Gesicht nahm fast im gleichen Augenblick einen ernsten und bekümmerten Ausdruck an; Raskolnikow sah darin zu seinem Erstaunen sogar einen Auflug von Trauer. Einen solchen Ausdruck hatte er an ihm noch niemals wahrgenommen und nicht einmal vermutet.
    »Eine sonderbare Szene hat sich das letztemal zwischen uns abgespielt, Rodion Romanowitsch. Allerdings war auch unsere erste Begegnung sehr sonderbar, aber damals ... Jetzt ist es aber gleich! Nun, hören Sie: ich stehe vielleicht schuldig vor Ihnen da; ich fühle es. Erinnern Sie sich noch, wie wir uns trennten: Ihnen zittern die Nerven und schlottern die Knie, und auch mir zittern die Nerven und schlottern die Knie. Und wissen Sie, es ging damals zwischen uns so gar nicht anständig zu, nicht wie unter Ehrenmännern. Wir sind aber Ehrenmänner, das heißt in jedem Falle und unter allen Umständen Ehrenmänner, das soll man nicht vergessen. Sie erinnern sich noch, was weiter kam: es war einfach unanständig.«
    – Was hat er denn, für was hält er mich? – fragte sich Raskolnikow erstaunt, Porfirij mit erhobenem Kopf anschauend.
    »Ich bin zur Einsicht gekommen, daß es für uns jetzt das beste ist, aufrichtig vorzugehen«, fuhr Porfirij Petrowitsch fort, den Kopf etwas zur Seite gewandt und die Augen gesenkt, als wollte er sein früheres Opfer nicht mehr mit seinen Blicken irritieren und als hätte er seine früheren Kunstgriffe und Methoden verworfen. »Jawohl, solche Verdächtigungen und solche Szenen gehen auf die Dauer nicht. Mikolka war für uns damals eine Erlösung, sonst weiß ich gar nicht, wozu es noch alles gekommen wäre. Jener verfluchte Kleinbürger saß bei mir die ganze Zeit hinter dem Verschlag – können Sie es sich vorstellen? Sie wissen es natürlich schon; es ist mir auch bekannt, daß er nachher bei Ihnen war; aber was Sie damals angenommen hatten, war gar nicht der Fall: ich hatte nach niemand geschickt und noch keinerlei Anordnungen getroffen. Sie werden mich fragen, warum ich keine Anordnungen getroffen hatte? Wie soll ich es Ihnen sagen: Das Ganze war auch für mich ganz unerwartet gekommen. Es war mir sogar kaum eingefallen, die Hausknechte kommen zu lassen. (Die Hausknechte haben Sie doch sicher im Vorbeigehen bemerkt.) Ein Gedanke hat mich damals durchzuckt, so schnell wie ein Blitz; denn ich war damals gar zu fest überzeugt, Rodion Romanowitsch. Ich will mal – sagte ich mir – zunächst das eine aufgeben, dafür aber etwas anderes am Schwanze packen; so entgeht mir wenigstens das meinige nicht. Sie sind sehr reizbar von Natur, Rodion Romanowitsch, sogar viel zu reizbar, bei allen anderen Grundzügen Ihres Charakters, die ich, wenigstens zum Teil, erfaßt zu haben hoffe. Aber ich konnte mir natürlich damals auch sagen, daß es nicht immer so kommt, daß der Mensch einfach aufsteht und einem die ganze Wahrheit gesteht. Das kommt zwar vor, besonders wenn man einen Menschen ganz aus der Fassung bringt, aber in jedem Falle selten. Das habe ich mir auch damals sagen können. Ich dachte mir: Wenn ich doch bloß ein Endchen erwische! Wenn auch nur ein ganz winziges, doch ein solches, daß ich es mit den Händen packen kann, daß es eine greifbare Sache ist und keine Psychologie. Denn ich dachte mir: Wenn ein Mensch schuldig ist, so kann man von ihm jedenfalls etwas Wesentliches erwarten; es ist sogar erlaubt, auf ein ganz unerwartetes Resultat zu rechnen. Ich hatte damals auf Ihren Charakter gerechnet, Rodion Romanowitsch, vor allem – auf den Charakter! Große Hoffnungen hatte ich damals auf Sie gesetzt!«
    »Ja, aber ... aber warum reden Sie jetzt immer so?« murmelte Raskolnikow, der selbst seine eigene Frage kaum verstand.
    – Wovon redet er eigentlich? – fragte er sich ganz fassungslos: – Hält er mich denn wirklich für unschuldig? –
    »Warum ich so rede? Nun, ich bin ja hergekommen, um mich mit Ihnen auszusprechen, ich halte es sozusagen für meine heilige Pflicht. Ich möchte Ihnen restlos

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