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Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne)

Titel: Verbrechen und Strafe (Schuld und Sühne) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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ging schwer. Zuerst mußte er eine Schlinge machen und sie an seinen Mantel nähen; das war bald getan. Er langte unter sein Kopfkissen und holte aus der Wäsche, mit der es gefüllt war, ein ganz zerrissenes ungewaschenes Hemd hervor. Er riß davon einen Streifen, etwa zwei Zoll breit und vierzehn Zoll lang ab. Diesen Streifen legte er zusammen, zog seinen weiten Sommermantel, der aus einem sehr festen Baumwollstoff gefertigt war, aus und begann den Streifen mit beiden Enden auf die Innenseite des Mantels unter der linken Achsel anzunähen. Seine Hände zitterten während der Arbeit, doch war von den Nähten nichts zu sehen. Nadel und Faden hatte er längst zurechtgelegt, sie lagen in Papier eingewickelt in seiner Tischlade. Diese Schlinge war seine eigene höchst geistreiche Erfindung: sie war für das Beil bestimmt. Er konnte das Beil ja nicht offen auf der Straße tragen. Hätte er es einfach unter dem Mantel verborgen, so hätte er es ja mit einer Hand halten müssen, was aufgefallen wäre. Wenn er nun das Beil mit der Schneide in diese Schlinge hängte, so konnte er es ganz unauffällig unter dem Arm tragen. Die Hand konnte er in die Manteltasche stecken und so den Griff des Beiles festhalten, damit dieser nicht hin und her pendele. Der Mantel war sehr weit, und man konnte unmöglich erraten, daß seine Hand den Beilgriff hielt. Diese Erfindung hatte er bereits vor vierzehn Tagen gemacht.
    Als er damit fertig war, langte er mit der Hand in den schmalen Spalt zwischen seinem »türkischen« Sofa und dem Fußboden, suchte in der linken Ecke und holte das längst vorbereitete und versteckte Pfand heraus. Dieses »Pfand« bestand aus einem glatt gehobelten Holzbrettchen in der Größe eines gewöhnlichen silbernen Zigarettenetuis. Das Brettchen hatte er bei einem seiner Spaziergänge zufällig auf einem Hof in der Nähe einer Werkstatt gefunden. Später fügte er noch eine dünne Eisenplatte hinzu, die er wohl auch zufällig gefunden hatte. Die Eisenplatte war etwas kleiner als das Brettchen; er legte beide übereinander und band sie kreuzweise mit einem Faden zusammen; das Ganze wickelte er dann elegant in ein sauberes Papier und schnürte das Paket noch einmal zusammen, und zwar sehr kompliziert, damit die Alte einige Zeit zum Aufschnüren brauchte und er dabei einen günstigen Augenblick abwarten konnte. Die Eisenplatte diente zur Vergrößerung des Gewichts, damit die Alte nicht gleich sähe, daß der »Gegenstand« aus Holz sei. Das Ganze lag schon einige Zeit bereit. Als er das Pfand herausholte, hörte er jemand im Hof schreien:
    »Es hat ja längst sechs geschlagen!«
    »Längst! Mein Gott!«
    Er stürzte zur Tür, horchte, nahm den Hut und begann unhörbar wie eine Katze die siebzehn Stufen hinabzugehen. Jetzt galt es noch, aus der Küche das Beil zu stehlen. Er hatte schon längst beschlossen, die Tat mit einem Beil auszuführen. Er besaß noch ein zusammenklappbares Gärtnermesser; er wollte sich aber nicht auf dies Messer und besonders auf seine Kräfte verlassen und wählte daher endgültig ein Beil. Wir wollen hier auf eine Eigentümlichkeit aller seiner endgültigen Entschlüsse hinweisen: je endgültiger sie wurden, um so dümmer und sinnloser erschienen sie ihm. Trotz seiner qualvollen inneren Kämpfe konnte er auch nicht einen Augenblick an die Ausführbarkeit seiner Pläne glauben.
    Und selbst wenn es ihm gelungen wäre, alles bis zum allerletzten Detail durchzudenken und endgültig zu beschließen, wenn er gar keine Zweifel mehr gehabt hätte, so hätte er sich schließlich doch von allem losgesagt wie von einer Dummheit, Ungeheuerlichkeit und Unmöglichkeit. Es gab aber noch eine große Menge von Zweifeln und ungeklärten Details. Die Beschaffung eines Beils machte ihm gar keine Schwierigkeiten, denn nichts war leichter als das. Nastasja ging jeden Augenblick, besonders in den Abendstunden aus; sie steckte bei den Nachbarn oder beim Krämer, die Küchentür ließ sie weit offenstehen. Die Wirtin zankte mit ihr immer darüber. Er brauchte also nur leise in die Küche zu gehen, das Beil zu nehmen und es eine Stunde später (wenn alles geschehen war) wieder hinzubringen. Es waren allerdings auch da Zweifel: wenn z.B. in einer Stunde, wenn er das Beil wiederbringen will, Nastasja zufällig in der Küche ist. Dann muß er natürlich an der Küche vorbeigehen und abwarten, bis Nastasja wieder fort ist. Wenn sie aber inzwischen das Beil sucht, es nicht findet und zu schimpfen beginnt, – so ist

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