Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)
Aufforderung Ihrer Frau Mama.«
»Gut ... ich will es ihr sagen ... sofort.«
Und Ssonjetschka sprang hastig vom Stuhle auf.
»Es ist nochnicht alles«, hielt sie Pjotr Petrowitsch zurück, über ihre Einfalt und Unkenntnis der Anstandsregeln lächelnd. »Sie kennen mich zu wenig, liebste Ssofja Ssemjonowna, wenn Sie glauben, daß ich wegen dieser unbedeutenden und nur mich allein angehenden Angelegenheit eine Person wie Sie bemüht und zu mir gerufen hätte. Ich habe ganz andere Absichten.«
Ssonja setzte sich eilig hin. Die grauen und regenbogenfarbigen Banknoten, die noch auf dem Tische lagen, flimmerten wieder vor ihren Augen, sie wandte aber schnell ihr Gesicht von ihnen ab und richtete ihren Blick auf Pjotr Petrowitsch; es kam ihr plötzlich furchtbar unanständig vor, fremdes Geld anzusehen, besonders wenn siees tat. Sie heftete ihren Blick auf das goldene Lorgnon Pjotr Petrowitschs, das er in der Linken hielt, und zugleich auf den außerordentlich hübschen, großen, schweren Ring mit gelbem Stein, den er auf dem Mittelfinger dieser Hand trug; doch sie wandte die Augen auch davon ab und richtete den Blick wieder auf Pjotr Petrowitsch, da sie nicht wußte, wohin sie sehen sollte. Nachdem er eine Weile noch solider als früher geschwiegen hatte, fuhr er fort:
»Ich hatte gestern Gelegenheit, im Vorbeigehen einige Worte mit der unglücklichen Katerina Iwanowna zu wechseln. Es genügten zwei Worte, um zu erfahren, daß sie sich in einem – widernatürlichen Zustande befindet, wenn man so sagen darf.«
»Jawohl ... in einem widernatürlichen«, bestätigte Ssonja hastig.
»Oder einfacher und verständlicher – in einem kranken.«
»Ja, einfacher und verständl ... jawohl, sie ist krank.«
»Nun also. Aus dem Gefühle der Humanität und ... sozusagen des Mitleides, möchte ich ihr nun meinerseits irgendwie behilflich sein, da ich ihr unvermeidlich trauriges Los voraussehe. Ich glaube, die ganze arme Familie lastet jetzt ganz auf Ihnen?«
»Gestatten Sie die Frage«, sagte Ssonja, indem sie sich plötzlich erhob: »Was haben Sie ihr gestern von der Möglichkeit einer Pension gesagt? Denn sie sagte mir schon gestern, Sie hätten es übernommen, ihr eine Pension zu erwirken. Ist es wahr?«
»Durchaus nicht, in gewisser Beziehung ein Unsinn. Ich habe nur auf einen einmaligen Unterstützungsbeitrag für die Witwe eines Beamten hingedeutet – natürlich, nur wenn eine Protektion vorhanden ist –, aber Ihr verstorbener Vater hat, soviel ich weiß, nicht nur die vorgeschriebene Frist nicht ausgedient, sondern in der letzten Zeit überhaupt nicht gedient. Mit einem Wort: es könnte wohl eine Hoffnung vorhanden sein, doch nur eine recht schwache, denn in diesem Falle liegen keinerlei Rechte auf die Unterstützung vor, sogar im Gegenteil. Sie aber denkt schon an eine Pension, he-he-he! Eine fixe Dame!«
»Jawohl, an eine Pension ... Denn sie ist leichtgläubig und gut und glaubt aus Güte alles und ... und ... sie hat mal einen solchen Verstand ... Jawohl, entschuldigen Sie ...« sagte Ssonja und erhob sich wieder zum Fortgehen.
»Entschuldigen Sie, Sie haben mich noch nicht zu Ende gehört.«
»Jawohl, ich habe noch nicht zu Ende gehört«, murmelte Ssonja.
»Also setzen Sie sich.«
Ssonja wurde entsetzlich verlegen und setzte sich zum drittenmal.
»Da ich Ihre Lage mit den unglücklichen kleinen Kindern sehe, möchte ich, wie gesagt, ihr nach Kräften behilflich sein, das heißt, wie man so sagt, nach Kräften und nicht mehr. Man könnte zum Beispiel zu ihren Gunsten eine Kollekte veranstalten, oder eine Lotterie ... oder etwas in dieser Art, wie es auch immer von Nahestehenden und sogar auch von fremden Menschen gemacht wird, die helfen möchten. Ich hatte eben die Absicht, Ihnen das mitzuteilen. Das ginge zu machen.«
»Jawohl, sehr gut ... Gott wird es Ihnen ...« stammelte Ssonja, Pjotr Petrowitsch unverwandt anblickend.
»Das ginge zu machen, aber ... davon reden wir später ... das heißt, man könnte auch heute anfangen, davon zu reden. Wir werden uns am Abend wiedersehen, uns einigen und sozusagen den Grund dazu legen. Kommen Sie zu mir so gegen sieben her. Andrej Ssemjonowitsch wird, hoffe ich, sich daran auch beteiligen ... Aber ... es gibt hier noch einen Umstand, den man vorher genau besprechen muß. Darum habe ich Sie auch, Ssofja Ssemjonowna, bemüht und herkommen lassen. Es ist nämlich meine Ansicht, daß man Katerina Iwanowna kein Geld in die Hand geben darf und daß es sogar
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