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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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ich bloß gelesen,« dachte sich Raskolnikow im Weitergehen, »daß ein zum Tode Verurteilter eine Stunde vor dem Tode sagt oder denkt: wenn er nur irgendwo in der Höhe, auf einem Felsen, auf einem so schmalen Plateau, das nur für seine zwei Füße Platz hätte, leben könnte – rings Abgründe, Ozean, ewige Finsternis, ewige Einsamkeit und ewiger Sturm –, und so auf diesem nur einen Arschin breiten Raum sein ganzes Leben lang, tausend Jahre, eine Ewigkeit bleiben sollte – so wäre es besser, so zu leben, als jetzt gleich zu sterben! Wie das Leben auch sei, nur leben, leben, leben! ... Wie wahr! Mein Gott, wie wahr! Gemein ist doch der Mensch! ... Und gemein ist auch der, der ihn deswegen gemein nennt«, fügte er nach einer Minute hinzu.
    Er kam in eine andere Straße. »Ach, das ist ja der ›Kristallpalast‹? Rasumichin sprach vorhin vom ›Kristallpalast‹! Ja, aber was wollte ich eigentlich? Ja, lesen! ... Sossimow sagte, er hätte es in der Zeitung gelesen ...«
    »Gibt es Zeitungen?« fragte er, in ein geräumiges und sogar sauberes Lokal tretend, das aus einigen, übrigens recht leeren Zimmern bestand. Zwei oder drei Gäste tranken Tee, und in einem der entfernteren Zimmer saß eine Gesellschaft von etwa vier Men schen, die Champagner tranken. Raskolnikow kam es vor, als ob unter ihnen auch Samjotow säße. Von weitem konnte man es übrigens nicht genau sehen.
    »Und wenn auch!« dachte er sich.
    »Befehlen der Herr einen Schnaps?« fragte der Kellner.
    »Bring mir Tee. Und bring mir alte Zeitungen, so von den fünf letzten Tagen hintereinander, du bekommst ein Trinkgeld dafür.«
    »Zu Befehl. Hier sind die heutigen. Befehlen Sie auch einen Schnaps?«
    Bald kamen die alten Zeitungen und der Tee. Raskolnikow setzte sich hin und begann zu suchen: »Isler – Isler – Azteken – Azteken – Isler – Bartold – Massimo – Azteken – Isler ... pfui Teufel! Und hier die kleinen Notizen: von der Treppe gestürzt – ein Kleinbürger im Rausche verbrannt – eine Feuersbrunst – eine Feuersbrunst auf der Petersburger Seite – noch eine Feuersbrunst auf der Petersburger Seite – und noch eine Feuersbrunst auf der Petersburger Seite – Isler – Isler – Isler – Isler – Massimo ... Ja, hier ...«
    Er fand endlich das, was er suchte, und fing zu lesen an: die Zeilen hüpften ihm vor den Augen, trotzdem las er diesen ganzen »Bericht« und suchte voll Gier in den folgenden Nummern nach weiteren Mitteilungen. Seine Hände zitterten, als er in den Zeitungen blätterte vor krampfhafter Ungeduld. Plötzlich setzte sich jemand neben ihn, an seinen Tisch. Er blickte auf: es war Samjotow, der gleiche Samjotow, im gleichen Aufzuge, mit den Ringen und Uhrketten, mit dem Scheitel im schwarzen, gekräuselten pomadisierten Haar, in einer eleganten Weste und in einem etwas schäbigen Rocke und nicht ganz sauberer Wäsche. Er war sehr heiter, jedenfalls lächelte er sehr lustig und gutmütig. Sein gebräuntes Gesicht war von dem getrunkenen Champagner etwas gerötet.
    »Wie! Sie sind hier?« begann er erstaunt und in einem Ton, als wäre er mit Raskolnikow Gott weiß wie lange bekannt. »Rasumichin hat mir aber erst gestern erzählt, daß Sie immer noch bewußtlos seien. Wie merkwürdig! Ich war doch bei Ihnen ...«
    Raskolnikow hatte gewußt, daß er sich zu ihm heransetzen würde. Er legte die Zeitungen weg und wandte sich zu Samjotow. Auf seinen Lippen spielte ein spöttisches Lächeln, und aus diesem Lächeln sprach eine neue Reizbarkeit und Ungeduld.
    »Ich weiß es, daß Sie bei mir waren,« antwortete er, »ich habe es gehört. Sie haben den Strumpf gesucht ... Wissen Sie, Rasumichin ist ganz bezaubert von Ihnen, er sagt, Sie seien mit ihm bei der Lawisa Iwanowna gewesen, bei derselben, um die Sie sich damals so sehr bemühten und dem Leutnant Pulver zuzwinkerten; er begriff aber immer nicht, erinnern Sie sich noch? Was gab es da nicht zu verstehen, eine klare Sache ... nicht wahr?«
    »Was ist er doch für ein Radaumacher!«
    »Pulver?«
    »Nein, Ihr Freund Rasumichin ...«
    »Ein schönes Leben haben Sie, Herr Samjotow; die angenehmsten Orte dürfen Sie gratis besuchen! Wer hat Sie soeben mit Champagner bewirtet?«
    »Wir haben ... ein wenig getrunken ... Niemand hat mich bewirtet!«
    »Ein Honorar! Sie genießen!« Raskolnikow lachte. »Macht nichts, guter Junge, macht nichts!« fügte er hinzu und klopfte Samjotow auf die Schulter. »Ich sage es ja nicht aus Feindschaft, sondern ›aus Freundschaft,

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