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Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier)

Titel: Verbrechen und Strafe (Übersetzung von Swetlana Geier) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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fangen Sie ihn!« rief er aus, Samjotow schadenfroh neckend.
    »Nun, man wird ihn schon fangen.«
    »Wer? Sie? Sie werden ihn fangen! Da werden Sie lange springen müssen! Die Hauptsache ist doch bei Ihnen, ob der Mensch Geld ausgibt oder nicht? Früher hat er kein Geld gehabt, und plötzlich gibt er welches aus. – Wie sollte er nicht der Mörder sein? So führt Sie aber jedes Kind hinters Licht, wenn es nur will!«
    »Das ist es eben, daß sie alle so tun«, antwortete Samjotow. »Den Mord führt er schlau aus und setzt sein Leben aufs Spiel, läßt sich aber dann in einer Schenke erwischen. Beim Geldausgeben werden sie immer erwischt. Nicht alle sind doch so schlau wie Sie. Siewürden natürlich nicht in die Schenke gehen.«
    Raskolnikow runzelte die Brauen und blickte Samjotow durchdringend an.
    »Sie haben wohl Appetit bekommen und möchten gerne wissen, wie ich in einem solchen Falle handeln würde?« fragte er mürrisch.
    »Das möchte ich wohl«, antwortete jener fest und ernst.
    Er blickte und sprach auf einmal gar zu ernst.
    »Sehr?«
    »Sehr.«
    »Gut. Ich würde es so machen«, begann Raskolnikow, indem er sein Gesicht plötzlich wieder dem des Samjotow näherte, ihn wieder durchdringend anblickte und wieder im Flüstertone sprach, so daß jener diesmal zusammenfuhr. »Ich würde es so machen: ich würde das Geld und die Sachen nehmen und direkt von dort, ohne irgendwo einzukehren, irgendwohin weit weggehen, an einen entlegenen Ort, wo lauter Zäune sind und wo fast kein Mensch vorbeigeht, – in einen Gemüsegarten oder dergleichen. Schon vorher würde ich mir auf so einem Hofe irgendeinen Stein, so einen oder anderthalb Pud schwer, der da vielleicht schon seit der Erbauung des Hauses irgendwo in einer Ecke oder am Zaune liegt, aussuchen; ich würde den Stein aufheben, – unter ihm muß eine kleine Vertiefung sein – und in diese Vertiefung alle Sachen und das Geld hineinlegen. Ich würde alles hineinlegen, den Stein dann wieder darauf wälzen, wie er früher gelegen hat, mit dem Fuße festdrücken und fortgehen. Ein ganzes Jahr, zwei Jahre würde ich die Sachen nicht anrühren, drei Jahre würde ich sie nicht anrühren, – da soll mich einer finden! Er war da und ist nicht mehr!«
    »Sie sind verrückt«, sagte Samjotow, er wußte selbst nicht warum, auch im Flüstertone und rückte von Raskolnikow weg.
    Raskolnikows Augen brannten; er war furchtbar blaß geworden; seine Oberlippe zuckte und begann zu hüpfen. Er beugte sich zu Samjotow so nahe als möglich vor und begann die Lippen zu bewegen, ohne etwas zu sagen; das dauerte eine halbe Minute; er wußte wohl, was er tat, konnte sich aber nicht beherrschen. Das schreckliche Wort sprang wie der Türriegel damals, auf seinen Lippen: gleich wird es sich losreißen; er braucht es nur loszulassen, braucht es nur zu sprechen!
    »Wie, wenn ich die Alte und die Lisaweta ermordet habe?« sagte er plötzlich und – kam zu sich.
    Samjotow blickte ihn wild an und wurde so weiß wie das Tischtuch. Sein Gesicht wurde von einem Lächeln verzerrt.
    »Ist es denn möglich?« sagte er kaum hörbar.
    Raskolnikow blickte ihn boshaft an.
    »Gestehen Sie doch, daß Sie es geglaubt haben!« sagte er endlich kalt und spöttisch. »Ja? Doch – ja?«
    »Durchaus nicht! Jetzt glaube ich es weniger als je!« antwortete Samjotow hastig.
    »Nun haben Sie sich verschnappt! Man hat den kleinen Spatz gefangen. Sie haben es also vorher geglaubt, wenn Sie ›es jetzt weniger als je‹ glauben?«
    »Nein, wirklich nicht!« rief Samjotow sichtlich verlegen. »Sie haben mir solche Angst gemacht, um mich darauf zu bringen!«
    »Sie glauben es also nicht? Worüber haben Sie aber damals in meiner Abwesenheit gesprochen, als ich aus dem Bureau gegangen war? Warum hat mich Leutnant Pulver nach dem Ohnmachtsanfall vernommen? He, du!« rief er dem Kellner zu, aufstehend und seine Mütze ergreifend. »Was habe ich zu bezahlen?«
    »Dreißig Kopeken im ganzen«, antwortete jener herbeieilend.
    »Da hast du noch zwanzig Kopeken Trinkgeld. Das viele Geld!« wandte er sich an Samjotow und hielt ihm seine zitternde Hand mit den Banknoten hin: »Rote, blaue Scheine, fünfundzwanzig Rubel. Woher habe ich die? Und woher die neue Kleidung? Sie wissen doch, daß ich keine Kopeke hatte ... Meine Wirtin haben Sie doch schon sicher vernommen ... Nun genug! Assez causé! Auf Wiedersehen, auf angenehmes Wiedersehen! ...«
    Er ging hinaus, am ganzen Leibe von einer wilden hysterischen Empfindung zitternd,

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