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Verbrechen und Strafe

Verbrechen und Strafe

Titel: Verbrechen und Strafe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Michajlowitsch Dostojewskij
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daß alles entzweibricht«, rief er plötzlich aus, wieder in seinen Gram verfallend, »alles, alles; bin ich aber dazu vorbereitet? Will ich es selbst? ... Man sagt, es sei zu meiner Prüfung notwendig! Doch wozu, wozu alle diese unsinnigen Prüfungen? Was brauche ich sie? Werde ich es denn dann, erdrückt von Qualen und Idiotie, in greisenhafter Ohnmacht nach zwanzigjähriger Zwangsarbeit besser empfinden, als ich es jetzt empfinde, und wozu soll ich dann noch leben? Oh, ich wußte es, daß ich ein Schuft bin, als ich heute in der Morgendämmerung an der Newa stand!« – – –
    Beide verließen schließlich das Haus. Es war Dunja schwer, aber sie liebte ihn so! Sie trennte sich von ihm; als sie aber etwa fünfzig Schritte gegangen war, wandte sie sich um, um ihn noch einmal anzuschauen. Sie konnte ihn noch sehen. Aber an der Ecke wandte er sich auch um, und ihre Blicke trafen sich zum letztenmal; als er merkte, daß sie ihn ansah, winkte er ungeduldig und sogar ärgerlich mit der Hand, daß sie weitergehe, und bog jäh um die Ecke.
    – Ich bin böse, ich sehe es – dachte er, als er sich nach einer Minute seiner ärgerlichen Geste gegen Dunja schämte. – Aber warum lieben sie mich so, wenn ich es nicht verdiene! O wär ich doch allein und niemand liebte mich, und hätte ich auch selbst nie jemand geliebt! Dann wäre dies alles nicht geschehen ! Ich möchte aber gern wissen, ob meine Seele in diesen kommenden fünfzehn oder zwanzig Jahren sich so demütigen wird, daß ich vor den Menschen voller Andacht jammern und mich bei jedem Wort Mörder nennen werde? Ja, so wird es sein! Darum verschicken sie mich auch nach Sibirien, das ist es, was sie brauchen ... Da laufen sie in den Straßen herum, und jeder von ihnen ist ein Schuft und ein Mörder, schon seiner Natur nach; und noch schlimmer als das – ein Idiot! Wenn man mir aber die Zwangsarbeit erläßt, so werden sie vor edler Empörung rasen! Oh, wie ich sie alle hasse! –
    Er vertiefte sich in den Gedanken: – Durch welchen Prozeß kann es so kommen, daß ich mich zuletzt ganz ohne zu klügeln vor allen demütige, mich mit voller Überzeugung demütige? Warum auch nicht? Es muß natürlich so kommen. Werden mir denn die zwanzig Jahre ununterbrochenen Druckes nicht endgültig den Garaus machen? Steter Tropfen höhlt den Stein. Und wozu, wozu dann noch leben, wozu gehe ich jetzt hin, wo ich selbst weiß, daß alles sich genau so wie nach Noten abspielen wird und nicht anders! –
    Diese Frage legte er sich seit gestern abend vielleicht schon zum hundertstenmal vor, aber er ging dennoch hin.
VIII
    Als er zu Ssonja kam, begann es zu dämmern. Ssonja hatte den ganzen Tag in furchtbarer Aufregung auf ihn gewartet. Auch Dunja hatte mit ihr gewartet. Dunja war schon am Morgen zu ihr gekommen, eingedenk der gestrigen Worte Swidrigailows, daß Ssonja schon »alles wisse«. Wir wollen die Einzelheiten der Unterhaltung zwischen den beiden jungen Mädchen, ihre Tränen und, wie weit sie sich näher kamen, übergehen. Dunja hatte bei dieser Zusammenkunft wenigstens den Trost gefunden, daß ihr Bruder nicht allein sein werde: Er war doch mit seiner Beichte zuerst zu Ssonja gegangen; in ihr hatte er den Menschen gesucht, als er einen Menschen brauchte; sie wird ihm auch überallhin folgen, wohin ihn das Schicksal auch bringt. Sie fragte gar nicht, aber sie wußte, daß es so kommen werde. Sie sah Ssonja mit Ehrfurcht an und machte sie damit sogar verlegen. Ssonja war nahe daran, zu weinen: Sie hielt sich ihrerseits für unwürdig, Dunja auch nur anzublicken. Das herrliche Bild Dunjas, als sie sich von ihr so aufmerksam und ehrerbietig nach ihrer ersten Begegnung bei Raskolnikow verabschiedet hatte, blieb seitdem für immer in ihrer Seele als einer der schönsten und erhabensten Eindrücke ihres Lebens.
    Dunjetschka hatte es schließlich doch nicht ausgehalten und war von Ssonja gegangen, um den Bruder in seiner Wohnung zu erwarten; sie glaubte immer, daß er zuerst dorthin kommen würde. Als Ssonja allein geblieben war, begann sie sich mit dem Gedanken zu quälen, daß Rodja vielleicht wirklich Selbstmord begehen würde. Dasselbe fürchtete auch Dunja. Aber sie hatten einander den ganzen Tag mit vielen Gründen zu überzeugen gesucht, daß es nicht möglich sei, und waren ruhiger, solange sie zusammenblieben. Nachdem sie sich aber getrennt hatten, dachte die eine wie die andere wieder nur noch daran. Ssonja erinnerte sich, daß Swidrigailow ihr gestern gesagt hatte, daß

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