Verbrecher und Versager.
ragen. Und die Schmuggler aus den eigenen Reihen, die japanischen Vaterlandsverräter, werden Mann neben Mann an Kreuze geschlagen. Ein Versorgungskaufmann, drei Hilfsdolmetscher, die haben den Kaiser wohl missverstanden auf seiner letzten Audienz, als er Cleyer noch höfliche Fragen stellte, die sich mühelos übersetzen ließen: Welche Haarfarbe haben die Holländer, welche Lieder singt man in Amsterdam, wie kommt man von Deshima weiter nach Querfurt, und werden in Dresden Perücken getragen?
Schiffsgärtner Gottes, höchste Zeit, deine Koffer zu packen! Wer zögert, verliert, und wer nicht die richtige Antwort weiß, wird womöglich noch im Stehen enthauptet. Doch für diesmal kommst du mit dem Schrecken davon, genau wie die anderen Heimatschmuggler, nur dass wir der Hinrichtung zusehen müssen, mit eigenen Augen und eigenen Ohren, auch eine Perücke würde nichts nützen. Dann endlich darf Meister den Abschied nehmen, alles in allem gebeugte Arbeit, an die man sich später nicht gerne erinnert, wenn man endlich ein Schiff besteigt, um für immer nach Hause zurück zu entkommen. Doktor Cleyer wird noch am selben Abend auf immer und ewig des Landes verwiesen, sein Name verliert sich in unseren Akten und wird durch einen neuen ersetzt, einen anderen Faktoreidirektor, der genauso wenig Japanisch spricht.
Plötzlich setzt sich der Zug in Bewegung, die nächste Station ist Sonderhausen. Die Männer erwachen mit einem Ruck, ziehen die Helme aus den Taschen, fangen von vorne an zu polieren, schnüren zum hundertsten Mal ihre Schuhe, und ein anderer Schaffner öffnet die Tür. Ein ehemaliger Leutnant aus Frankfurt, den ich nicht nach dem Bild fragen möchte. Denn ich habe beschlossen, nicht auszusteigen, die Marathonhelden sind mir egal. Die Gruben interessieren mich nicht, auch wenn der Schaffner mit heller Stimme, die nicht wirklich zu seinem Alter passt, die Vorzüge seiner Heimatstadt preist. Man muss doch mit eigenen Augen sehen, wie die Männer laufen und schwitzen und kämpfen, ich bin früher selbst mit dabei gewesen. Jetzt dagegen, das sehen Sie ja, Geschäfte, Geschäfte. Wobei wenig Zeit für die Gruben bleibt, und auch für die Gärten, sieben Jahre sind schnell vorbei, noch zwei, dann kann ich den Abschied nehmen und endlich den Schrebergarten bepflanzen, mich um Frauen und Kinder und Beete kümmern, Zäune setzen und Hecken beschneiden, immer wieder fällt etwas an. Von wegen die Gärten, sage ich leise, wie komme ich schnellstens von hier aus nach Dresden? Um endlich den letzten Garten zu sehen, den der Schiffsgärtner Gottes bewirtschaftet hat?
Als ich das Bild aus der Tasche ziehe, wird es im Garten still, nie gesehen, sagen die Männer. Sie denken sich Gärtner nicht unter Perücken, aber sie zeigen mir alles, wonach ich frage. Den kurfürstlichen Garten vor dem Pirnaischen Tor, später der Große Garten genannt, den Meister mit tropischen Pflanzen versorgt. Danach den Zwinger und den Türkischen Garten, dort hat er vermutlich den Rucksack geöffnet und die Vogeleier herausgeholt, bestes japanisches Porzellan, mit dem er die künstlichen Nester bestückte. Dem Kurfürst wird das gefallen haben, bis heute schwärmt er für fremde Länder und Sitten, für Sinnsprüche, die man in Hecken schneidet und die er für japanische Schriftzeichen hält, weil man hier selten an Frischluft kommt.
Und was ist mit Meisters Wörterbuch? Nie gelesen, sagen die Männer, denn sie sind nicht wirklich herumgekommen, für Sprachen haben sie wenig Zeit. Irgendjemand kommt immer vorbei, überhaupt hat man jede Hand voll zu tun, wenn man die Gärten instand halten will. Alles in allem gebückte Arbeit, und nach Feierabend liest man nicht gern, weil die Schrift so schwer zu entziffern ist.
Ich weiß, sage ich und trete zur Seite, weil ich im Augenwinkel schon sehe, dass gleich links in der Hecke hinter dem Schloss immer noch eine Frau sitzt und wartet, die glaubt, dass Meister zurückkommen wird. Damit man sie schon von weitem erkennt, hält sie ein riesiges Buch in die Luft, dessen Titel viel zu barock und zu lang ist, um ihn noch einmal in Worte zu fassen. Aber sie hat mich längst entdeckt, weil sie weiß, ich kann mich nicht länger verstecken. Also winke ich Abschied und beginne zu laufen, während ich hinter mir ihren Atem höre, der zunehmend lauter zu rasseln beginnt. Genau wie meiner, sie kommt näher und näher, bis sie meine Schulter erreicht, mir die Hand auf die fliehende Schulter legt und mich für immer zum
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