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Verbrecher und Versager.

Verbrecher und Versager.

Titel: Verbrecher und Versager. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicitas Hoppe
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Erde mit Schreibpapier aus, wo andere mühsam marschieren. Die Geographie steckt bei ihm in der Feder und kommt in langen Sätzen heraus, die Landschaft bleibt trotzdem eng und bekannt, aber ich hänge an meinem Kindskopf der Heimat.
    Hier gehen, während Schiller nur Landstraßen tritt, in Wahrheit ganz andere Dinge vor. Die Ecken der Stadt sind mit Werbern gestopft, der Herzog braucht Geld und muss weiter Soldaten nach Holland verschachern. Und was ein gelernter Anwerber ist, der stiehlt auch den letzten Mann vor die Tür, aus den Armen von Müttern und Bräuten. Die Prozedur ist immer dieselbe. Zuerst das leise Geräusch des Geldes, danach ab in die Wirtschaft, beim Trinken die afrikanische Predigt von Sonne und Süden und ewiger Lust.
    Ein Paradies!, schreit der Werber entschlossen und schenkt in der Regel zum zweiten Mal ein, und dem Opfer gehen die Augen über, wie nah das ferne Afrika ist, wie grenzenlos üppig das Abenteuer, wie würdevoll die Mission, wie groß die Ehre, wie gering die Gefahr, wie reichlich der Sold, sodass man, hier gießt er zum dritten Mal nach, die Lust aus riesigen Bechern trinkt. Und es regnet nie, die Sonne scheint immer, das ganze Land fröhlicher Wetterbericht, das ganze Leben ein einziger Sommer, nie wieder Schnee und nie kalte Füße, zu denen, jetzt schenkt er zum vierten Mal ein, schön und sehr preiswert Sklavinnen liegen, die alles können, wovon ich nichts weiß.
    Ein Feigling, wer sich nach der Anfahrt erkundigt, nach Schiffen und Seegang, wer an Stürme und schwankende Masten denkt, an trübes Wasser und Zahnfleisch, an den Mann über Bord und das endlose Warten, wenn nicht der richtige Wind aufkommt. Das Meer ist ein Schluck aus dem fünften Becher, und die Angst vor der Reise stirbt mit dem sechsten, denn es gibt gar kein Meer und auch keine Stürme, Afrika ist nur ein Katzensprung. Und wer jetzt nicht den siebten Becher stürzt, nach Hause rennt und den Rucksack schnürt, soll seine Ehre ins Taschentuch knoten, im Vorgarten seiner Heimat vergraben und sehen, ob sie dort Früchte trägt.
    Wer noch zögert und schwankt, kriegt den achten Becher, damit er die Dinge klarer sieht, damit er begreift, was er wirklich ist, nichts als ein Klotz am Bein seiner Heimat, das unerwünschte dreizehnte Kind, das dreizehnte Maul, das keiner mehr stopft. Weißt du denn überhaupt, wer du bist? Vielleicht bist du gar nicht der Sohn deines Vaters, womöglich nur eine Jahrmarktstrophäe oder die Brut einer Mittagsschicht, als im Bopserwald deine Mutter verschwand. Und der, der sich für deinen Vater hält, schon um euch nicht ins Gerede zu bringen, wird froh sein, wenn du den Abschied nimmst. Den elften Schluck auf dein zartes Gemüt, damit du siehst, wie gut man es meint. Im Übrigen muss sich hier niemand schämen, auch der Herzog macht überall fröhliche Kinder und muss nachher sehen, wohin damit. Er wird sie zu Offizieren machen, alle sechs gehen mit auf die Reise.
    Kopf in den Becher, dort steht geschrieben, wie groß und günstig das Angebot ist. Von oben bis unten ein neues Leben, goldene Knöpfe und eckige Schultern, besser gepolstert als jedes Bett. Darin schläft man fest, und sie zeigt keine Falte, und Stiefel, gebaut für die Ewigkeit, dreimal Afrika hin und zurück, und die Sohle nachher noch immer wie neu.
    Der Werber hat ganze Arbeit geleistet, die Hälfte des Körpers liegt schon unterm Tisch, aber erst, wenn das Opfer zu schielen beginnt, kommt der letzte Becher zum Einsatz, nicht Wein, sondern Würfel, ein Kinderspiel. Mehr als zehn Augen, und du gehörst mir. Doch der hat schon zehn Augen, der braucht keinen Wurf, um Soldat zu werden, wird sanft wie ein Lamm, legt den Kopf auf den Tisch und wacht am Morgen in Uniform auf.

    Das hat mir mein Zwilling Kapf erzählt, auch wie satt er es hat, noch hier zu sitzen, wie sehr es ihn zum Marschie- ren drängt. Der lässt sich nicht mit Theater betrügen, mit Brettern, die eine Welt bedeuten, der braucht eine ganze Welt für ein Brett. Die Werber sind die wirklichen Künstler, würfeln das Blaue vom Himmel herunter, und wo der Werber nicht Fuß fassen kann, arbeiten andere praktische Kräfte, es geht auch ohne Würfel und Wein. Man fasst nur Gelegenheiten beim Schopf, wirft Lasten ab, die Familien bedrücken. Und wie die Truppe von Tag zu Tag wächst, unruhige Füße in schlechten Stiefeln, schon steht das historische Kapregiment. Den Vertrag hat der Herzog längst unterschrieben, vermutlich hat er ihn gar nicht gelesen, noch bevor

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