Verdammnis
sie eine Weltklassehackerin war. In dem exklusiven internationalen Kreis, der sich der Datenkriminalität auf höchstem Niveau widmete, war sie eine Legende. Man kannte sie dort nur unter dem Pseudonym »Wasp«.
Ihre Fähigkeit, völlig problemlos in die Computer anderer Menschen einzudringen, hatte Mikael das Material verschafft, mit dem er seine journalistische Niederlage in der Wennerström-Affäre in einen Sieg verwandeln konnte - eine Riesenstory, die auch nach einem Jahr noch internationale Ermittlungen auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität in Gang hielt und Mikael mit regelmäßigem Abstand einen Platz auf den Talkshow-Sofas verschaffte.
Vor einem Jahr hatte er die Story noch mit der allergrößten Zufriedenheit betrachtet - als Rache und Rehabilitation, nachdem er schon im journalistischen Abseits gelandet war. Doch mit dieser Zufriedenheit war es schnell vorbei. Schon nach wenigen Wochen war er es leid, immer wieder auf dieselben Fragen der Journalisten und der Steuerpolizei zu antworten. Tut mir leid, aber ich kann mit Ihnen nicht über meine Quellen sprechen . Als sich eines Tages ein Journalist der englischsprachigen Azerbaijan Times die Mühe machte, nach Stockholm zu kommen, nur um ihm abermals die gleichen einfältigen Fragen zu stellen, war das Maß voll. Mikael hatte die Zahl der Interviews auf ein Minimum herabgeschraubt, und in den letzten Monaten hatte er sich nur noch zu einem Auftritt bequemt, wenn Sie von TV4 anrief und ihn überredete, und das war immer nur dann der Fall, wenn die Ermittlungen gerade in eine neue Phase eintraten.
Mikaels Zusammenarbeit mit Ihr von TV4 hatte jedoch eine ganz andere Dimension. Sie war die erste Journalistin gewesen, die bei seinen Enthüllungen angebissen hatte. Ohne ihren Einsatz an jenem Abend, als Millennium seine Riesenstory publik machte, hätte der Artikel nicht unbedingt eine solche Durchschlagskraft erreicht. Erst später erfuhr Mikael, dass Sie mit Zähnen und Klauen darum gekämpft hatte, mit dieser Story auf Sendung zu gehen. Sie stieß auf massiven Widerstand, weil man den »Schwindler von Millennium « nicht rehabilitieren wollte, und bis kurz vor der Sendung blieb es unsicher, ob das Heer der redaktionseigenen Anwälte grünes Licht geben würde. Mehrere ihrer älteren Kollegen gaben Ihr zu verstehen, dass ihre Karriere vorbei sei, wenn sich das Ganze als Fehlalarm herausstellen würde. Aber Sie war hartnäckig geblieben, und plötzlich war es die Story des Jahres.
Während der ersten Woche blieb Sie an der Story dran - Sie war ja die Einzige, die sich tatsächlich in das Thema eingearbeitet hatte -, aber irgendwann kurz vor Weihnachten bemerkte Mikael, dass sämtliche Kommentare plötzlich in die Hände ihrer männlichen Kollegen gewandert waren. Um Neujahr erfuhr Mikael über Umwege, dass man Sie hinausgedrängt hatte, mit der müden Begründung, dass eine so wichtige Story von seriösen Wirtschaftsjournalisten betreut werden müsse und nicht von irgendeinem unerfahrenen kleinen Mädchen. Als TV4 das nächste Mal anrief und um einen Kommentar bat, erklärte Mikael ihnen rundheraus, dass er sich nur von Ihr von TV4 interviewen lassen würde. Nach ein paar Tagen mürrischen Schweigens kapitulierten die Leute von TV4.
Mikaels Interesse an der Wennerström-Affäre verflüchtigte sich zum selben Zeitpunkt, als Lisbeth Salander aus seinem Leben verschwand. Ihm war immer noch nicht klar, was eigentlich geschehen war.
Sie waren am zweiten Weihnachtsfeiertag auseinandergegangen, und in der folgenden Woche hatte er sie nicht mehr gesehen. Einen Tag vor Silvester rief er sie spätabends an, aber sie ging nicht ans Telefon.
An Silvester ging er zweimal bei ihr vorbei und klingelte. Beim ersten Mal brannte Licht in ihrer Wohnung, aber sie machte nicht auf. Beim zweiten Mal waren ihre Fenster alle dunkel. Am Neujahrstag versuchte er erneut, sie anzurufen, aber niemand nahm ab. Bei späteren Versuchen wurde ihm nur noch mitgeteilt, dass der Teilnehmer nicht zu erreichen sei.
In den zwei Tagen danach hatte er sie zweimal gesehen. Nachdem er sie telefonisch nicht erreicht hatte, war er Anfang Januar noch einmal zu ihr gegangen und hatte sich vor ihrer Wohnung auf die Treppe gesetzt. Er hatte ein Buch dabei und blieb hartnäckig vier Stunden lesend dort sitzen, bis sie kurz vor elf Uhr abends das Haus betrat. Sie trug einen braunen Karton und stutzte, als sie ihn sah.
»Hallo, Lisbeth«, begrüßte er sie und schlug sein Buch zu.
Sie musterte ihn
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