Verdammt feurig
dich selbst – und erkläre es mir!«
Ich stieß die Tür auf und schrie im gleichen Moment erschrocken auf. Leander saß nackt im Schneidersitz auf der laufenden Waschmaschine und blätterte in Mamas Cosmopolitan. Als er mich sah, ließ er die Zeitschrift fallen und grinste mich breit an. Gott sei Dank, er hatte sich ein Handtuch um die Hüfte geschlungen. Das Magazin flatterte raschelnd zu Boden. In der Waschmaschine rumpelte es bedrohlich.
Mama drängte sich an mir vorbei und hob genervt die Zeitschrift auf. Leander nahm schnell seine Füße zur Seite, damit Mama sie nicht ins Gesicht bekam. Das Handtuch rutschte von seinen Hüften. Ich hielt mir die Hand vor die Augen. Ich wollte das alles nicht sehen.
»Luzie!? Was ist mit dir?«, fragte Mama gereizt. »Kannst du mir mal erklären, was hier los ist? Meine Klamotten sind das jedenfalls nicht da drin und deine auch nicht.«
»Hau ab«, sagte ich leise. Natürlich meinte ich Leander. Doch Mama sah Leander nicht.
»Luzie, jetzt werde ich aber langsam sauer!«, fuhr Mama mich an. »Wie redest du mit mir? So nicht, mein Fräulein.«
Leander schob sich in aller Seelenruhe von der immer heftiger rumpelnden Waschmaschine. Schnell sprang ich von der Tür weg und drängte Mama zur Seite. Leander stolzierte gemächlich und Sur le pont d’Avignon pfeifend an uns vorbei in den Flur. Splitternackt. Ich nahm die Hand wieder von meinen Augen und stieß einen erleichterten Seufzer aus.
In der Maschine polterte es nun so heftig, dass die Trommel kurz stockte. Ich sah, wie sich die Sohlen von zwei abgetragenen Boots gegen die schaumbedeckte Glasscheibe drückten. Dazwischen klemmten eine Jeans, eine Lederweste und etwas Weißes. Dieser verdammte Idiot hatte tatsächlich seine Klamotten in die Waschmaschine gesteckt. Samt den Schuhen.
»Sorry, Mama, aber – ähm, das sind die Klamotten von Serdan … und …« Also doch kein Tag ohne Lügen.
»Serdan?«, fragte Mama skeptisch.
»Jaaa … bei denen zu Hause ist die Waschmaschine kaputt und du weißt ja, er hat fünf Geschwister …« Er hatte nur drei, doch das tat jetzt nichts zur Sache. Ich musste Mamas Herz erweichen. »Seine Mutter wollte bei den Nachbarn waschen, aber die haben etwas gegen Ausländer, also muss sie mit den ganzen Klamotten in der S-Bahn zu ihren Verwandten ans andere Ende der Stadt fahren.«
»Es gibt Waschsalons, Luzie. Wir leben in einer Großstadt. In jeder Großstadt gibt es Waschsalons.«
»Das kostet Geld! Schau doch, Mama, es ist Weihnachten, Serdans Familie ist sowieso arm.« Serdans Vater war Professor an der FH, aber na gut. Das wusste Mama nicht und ich hoffte, sie würde es nie herausfinden. »Ich dachte, ich tue was Gutes, damit er wenigstens etwas Sauberes zum Anziehen hat an den Feiertagen.«
»Feiern Türken überhaupt Weihnachten?«
Ich hatte keine Ahnung, ob Serdan Weihnachten feierte. Meistens kam er mir so vor, als würde er nie irgendetwas feiern. Nicht einmal seinen eigenen Geburtstag.
»Natürlich feiern sie Weihnachten, was denkst du denn?«, entgegnete ich so selbstsicher wie möglich. Es gelang mir gut, denn ich war heilfroh, dass Leander nicht mehr bei uns war. »Serdans Eltern sind doch schon lange in Deutschland.« Das stimmte immerhin.
»Na schön, ausnahmsweise«, murmelte Mama, nachdem sie mit schräg gelegtem Kopf nachgedacht hatte. »Du hast recht. Es ist Weihnachten und an Weihnachten soll man Gutes tun. Aber, Luzie, man wirft trotzdem keine Schuhe in die Waschmaschine.«
Okay, prima Stichwort. Dieser Abend konnte vielleicht noch gerettet werden.
»Wie wäscht man denn richtig? Ich hab doch keine Ahnung. Habe es ja noch nie gemacht. Erklärst du es mir?«, fragte ich schüchtern.
Nach einem halbstündigen Vortrag über Waschtemperaturen, Weichspülersorten und ihre unterschiedlichen Duftnoten, die Vorzüge von flüssigem Waschgel im Vergleich zu Pulver, Bügeln und Trocknen hatte die Waschmaschine ihr Werk polternd vollendet, Mama war selig und ich konnte das Gähnen kaum mehr unterdrücken. Da war ja Herrn Sauers Ethikunterricht spannender. Ich öffnete die Trommel, zerrte Leanders nasse Klamotten und seine völlig lädierten Boots heraus und ließ mir von Mama diktieren, wie ich die Sachen aufzuhängen hatte.
»Mein Gott«, seufzte sie betroffen, als ich fertig war. »Der arme Serdan. Nicht einmal eine ordentliche Hose. Aber das Tuch ist schön … und sieh mal hier, eine Calvin-Klein-Unterhose – die sind doch richtig teuer …?«
»Die hat Seppo ihm
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