Verdammt (German Edition)
mehr unter den Füßen. Die felsige Kante begann unter ihm zu bröckeln, sodass Steine und Erdreich hinunterprasselten. Dennis schrie und versuchte verzweifelt, sich an irgendetwas festzuklammern, doch vergeblich. Er bekam weder Eric zu fassen, noch fand er neuen Halt. Als er begriff, dass er selbst abstürzen könnte, wenn er an der Kante blieb, warf sich Eric nach hinten in die Höhle und zog Rhea mit hinein, weg von der Gefahr. Dennis verschwand – immer noch laut schreiend – über den Felsrand, bis schließlich Stille eintrat.
Rhea begrub den Kopf an Erics Brust und ertappte sich verblüfft dabei, dass sie weinte. »Hey, es ist alles okay«, sagte er und strich ihr übers Haar. »Du bist in Sicherheit. Dir ist nichts passiert.«
Das Ganze erinnerte sie in unheimlicher Weise an den Abend, als sie sich auf dem Boot kennengelernt hatten und er sie auch da getröstet hatte. Unwillkürlich musste sie an seine Frage im Musikzimmer denken, als er sich erkundigt hatte, wer eigentlich je für sie da war und sie tröstete.
Sie hob den Kopf und sah, dass Erics Miene nach wie
vor vom Schrecken gezeichnet war. Er war nicht weniger erschüttert als sie, doch ihr zuliebe schützte er Ungerührtheit vor. »Und ist mit dir auch alles okay?«, fragte sie.
»Jetzt schon, da du in Sicherheit bist«, antwortete er, aber in seinen blassgrünen Augen lag ein Schatten der Verstörtheit, ein Gefühl, das Rhea teilte. Sie hatte noch nie jemanden sterben sehen. Dennis hatte ihr Angst gemacht, und sie hatte um jeden Preis von ihm weggewollt, doch sie hatte ihm nicht den Tod gewünscht. Niemand hatte einen solchen Tod verdient.
»Wie … was machst du eigentlich hier?«, stieß sie stockend hervor.
»Als ich dich nicht gefunden habe, habe ich mich immer weiter durchgefragt und nach dir Ausschau gehalten. Niemand wusste etwas. Niemand glaubte, dass etwas nicht in Ordnung war.« Die Bitterkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Dann haben die Wärter gesagt, dass ein Spender geflohen ist, und da … da wusste ich es einfach. Ich wusste, dass es Dennis war und dass er dich entführt hat. Die Wächter haben immer noch das Haus durchkämmt und nichts gefunden, doch mir fiel ein, wie Jared erzählt hat, dass er hier immer klettern geht. Und dann hab ich es einfach versucht.«
Rhea erinnerte sich dunkel daran, dass Dennis gesagt hatte, ein »hübsches braunhaariges Mädchen« habe ihn dazu ermuntert, mit Rhea durchzubrennen. Rhea konnte sich gut denken, wer das Mädchen gewesen war, doch sie behielt es zunächst noch für sich.
»Warum sind die Wächter nicht hierhergekommen?«, fragte sie stattdessen.
»Sie haben mir nicht geglaubt. Sie dachten, er sei zu
berauscht, um gefährlich zu sein, und waren der Meinung, er würde sich nur irgendwo auf dem Gelände verstecken. Außerdem hat Stephen gesagt, dass du ständig allein spazieren gehst, daher hat niemand dich und Dennis in Verbindung gebracht.«
Eric streichelte ihr durch das Haar, was sich für ihn absolut beglückend anfühlte.
»Du hättest dich mehr ins Zeug legen sollen, um sie zu überzeugen. Dann hättest du nicht allein herkommen müssen«, entgegnete sie. »Bei deiner Familie … Wenn dir etwas zugestoßen wäre, dann gäbe es keine Dragomirs mehr …«
Er schien nach wie vor erschüttert von den Ereignissen, brachte aber immerhin ein kleines Lächeln zu Stande. »Es war das Risiko wert. Ich hatte nämlich viel zu viel Angst, dass es dich nicht mehr gegeben würde.«
Sie sah verblüfft zu ihm auf und konnte kaum fassen, dass jemand sich so für sie einsetzte. Ein fremdartiges, wundersames Gefühl stieg in ihrer Brust auf, und diesmal war sie diejenige, die ihn küsste. Es war so sonderbar, sich an einem Ort zu küssen, wo gerade erst vor ihren Augen jemand zu Tode gekommen war, und dennoch schien es zu stimmen. Sie waren am Leben. Der Kuss war Leben.
Sie hätte ihn am liebsten endlos weiter geküsst und hatte das Gefühl, dass er gern das Gleiche getan hätte. Doch es gab zu viele unerfreuliche Dinge zu erledigen. Schreckliche Dinge. Sie mussten zurückkehren und berichten, was passiert war. Sie mussten …
»Emma und Stephen«, murmelte Rhea, als sie sich voneinander lösten. »Was sollen wir tun?«
»Wir reden mit ihnen«, sagte Eric. Er zögerte. »Wenn du … ich meine, falls du mit mir …«
Sie musterte ihn und sagte sich, dass sie ihn kaum kannte. Was wollte sie? Sie und Stephen waren schon lange gute Freunde – fast wie Bruder und
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