Verdammt (German Edition)
Eins
Emma war nicht Eric Dragomirs erste Freundin. Und sie würde wahrscheinlich auch nicht seine letzte bleiben.
Natürlich galt das nur unter der Voraussetzung, dass sich Erics Vater nicht einmischte. Wenn es nach dem alten Frederick Dragomir ginge, hätten Eric und Emma längst verheiratet sein sollen. Es war ein Wunder, dachte Eric bitter, dass sein Vater nicht kurzerhand festgelegt hatte, die Hochzeit am selben Tag abzuhalten, an dem sie ihren Highschool-Abschluss machten.
»Wo liegt das Problem? Wie viele Mädchen musst du denn noch haben?«, hatte Frederick ihn bei ihrer letzten Begegnung angeherrscht. »Sie stammt aus einer guten Familie. Ist hübsch. Intelligent. Ziemlich nett. Was willst du denn noch? Ich weiß, dass du dich für zu jung hältst, aber langsam wird die Zeit knapp! Es sind kaum noch welche von uns übrig.«
Sie standen an einem chilenischen Strand, der Lichtjahre von Montana entfernt zu sein schien, und betrachteten die blinkenden Sterne am tiefvioletten Himmel, während Eric sich fragte, ob seine Eltern womöglich aus diesem Grund geheiratet hatten. Aus Angst, ihre Art könnte aussterben. Als er noch klein war, hatte er nie groß über ihre Beziehung nachgedacht. Sie waren einfach seine Eltern. Es gab
sie. Sie würden immer zusammen sein. Und sie würden immer da sein. Er hatte das für selbstverständlich gehalten und nie über die intimere Gefühlswelt in ihrer Ehe nachgedacht. Jetzt, da seine Mutter tot war, begriff er, dass er sich nie die Mühe gemacht hatte, seine Eltern als Persönlichkeiten wahrzunehmen. Für seine Mutter war es nun zu spät, und bei dem massiven Druck wegen einer Hochzeit, den sein Vater in letzter Zeit auf ihn ausübte, war er auch nicht besonders scharf darauf, sich intensiver mit diesem zu befassen.
Plötzlich tauchte Emma wie eine Erscheinung vor ihm auf und hängte sich bei ihm ein. »Bist du nicht froh, dass die Sonne untergegangen ist? Das Licht hat mich buchstäblich umgebracht.«
Eric verzichtete darauf, ihre falsche Verwendung des Wortes »buchstäblich« zu korrigieren oder ihr zu sagen, dass ihm die Sonne nichts ausmachte, auch wenn zu viel Sonnenlicht ihrer Art nicht guttat. Ja, er bedauerte es sogar irgendwie, dass sie – als lebende Vampire – nicht viel Sonnenlicht vertrugen. Manchmal schwelgte er in Tagträumen davon, an einem Pool zu liegen und die goldene Umarmung der Sonnenstrahlen zu genießen.
Stattdessen lächelte er Emma zu und musterte ihre von langen Wimpern umrahmten tiefblauen Augen und ihr kunstvoll geflochtenes dunkelbraunes Haar. Augen und Haar kontrastierten stark mit dem blassen Teint, den alle Moroi aufwiesen. Zusammen mit ihrem herzförmigen Gesicht und ihren hohen Wangenknochen eine Kombination, die eine ganze Menge Jungen veranlasste, stehen zu bleiben, um sie anzusehen – Eric eingeschlossen.
Du hast dich schon wieder geirrt, Dad, dachte Eric. Sie ist nicht hübsch. Sie ist atemberaubend.
Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, mit Emma Drozdov eine Familie zu gründen. Sie hatten immer viel Spaß zusammen, und sein Vater hatte immerhin recht damit, sie als nett und intelligent zu bezeichnen. Außerdem hatte sie – mehr als einmal – ihre Bereitwilligkeit und Kreativität bei gewissen körperlichen Aktivitäten unter Beweis gestellt. Das Leben mit ihr würde nie langweilig werden, und Eric nahm an, dass sie ebenso erpicht auf einen Verlobungsring war wie sein Vater.
»Hey«, sagte sie und stupste ihn an. »Was ist los? Warum so ernst?«
Er suchte krampfhaft nach einer Antwort, die nicht verriet, wie mürrisch er war – oder wie sehr er manchmal an ihrer Beziehung zweifelte. Was hatte sein Vater letztes Mal noch zu ihm gesagt? Du kannst nicht ewig warten. Was ist, wenn dir etwas zustößt? Was wird dann aus uns?
»Es nervt mich nur, wie lange das Boot braucht«, stieß Eric schließlich hervor und blendete damit die nörgelnde Stimme seines Vaters im Hinterkopf aus. »Wir sollten doch vor Sonnenuntergang hier weg sein.«
»Ich weiß«, erwiderte sie und sah sich um. Überall verstreut standen die anderen Schüler aus ihrer Abschlussklasse – oder vielmehr die Elite ihres Jahrgangs. Plaudernd schlenderten sie herum, begierig darauf, endlich die Jacht zu besteigen, die sie zu dem Event brachte, das die Party des Jahres werden sollte. »Und jetzt brauchen sie ewig.«
»Die Besatzung muss noch die Vorräte an Deck bringen«, erklärte Eric. Das Boot lag schon seit geraumer Zeit am Kai, während
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