Verdammt (German Edition)
als aufstrebender Künstler die Zeit nehmen kann, mühsam eine Mappe zusammenzustellen, um in die neueste und
exklusivste Kunstakademie für junge Leute, wie es im Prospekt heißt, aufgenommen zu werden, nur um dann den Flug zu verpassen oder einfach gar nicht zu erscheinen. Aber vielleicht haben die anderen es ja auch nicht so nötig wie ich. Vielleicht sind ihre Leben frei von Jakes und Tiffanys.
Ich schüttele meine langen, dunklen Haare nach hinten und hänge mir die grüne Military-Tasche mit den Malutensilien über die Schulter. Ich muss immer noch an Ninas Gesicht denken, als ich diese Tasche jener vorzog, die sie mir für die Reise gekauft hatte. Ich meine, obwohl ich meinem Dad versprochen habe, mich darum zu bemühen, sie zu akzeptieren, beweist die Tatsache, dass sie mir eine türkisfarbene, mit Hibiskusblüten bedruckte Tasche geschenkt hat, doch einfach, dass sie sich nicht so besonders darum bemüht, mich zu akzeptieren.
»Name, bitte?«, sagt oder vielmehr blafft er. Es klang jedenfalls reichlich abgehackt, als wäre er sehr in Eile oder so.
»Ähm, Danika«, antworte ich nickend. »Danika Kavanaugh?« Ich betone es wie eine Frage, als bräuchte ich ihn zur Bestätigung meines eigenen Namens. Ich verdrehe die Augen. Gut zu wissen, dass ich in Großbritannien ein ebenso großer Trampel bin wie in den USA.
Er nickt, macht einen Haken in das Kästchen neben meinem Namen und stürmt durch die gläsernen Türen nach draußen. Offenbar geht er davon aus, dass ich ihm folge – was ich auch tue.
»Ähm, was ist mit meinem Gepäck?«, frage ich mit hoher, übereifriger Stimme, die in erbärmlicher Weise signalisiert, dass ich gemocht werden will. »Es hieß, es
sei nicht mitgekommen. Glauben Sie, dass sie die Sachen vorbeibringen – oder müssen wir noch mal herkommen?«
Er murmelt etwas über die Schulter, das sich anhört wie »vorbeibringen«, doch er geht so schnell, dass ich mir nicht ganz sicher bin.
»Und, wissen Sie, wo all die anderen geblieben sind?«, frage ich, den Blick auf seinen Hinterkopf fixiert, wo wie ein Bullauge eine kahle Stelle glänzt, die von derart rotem Haar umgeben ist, dass ich den Verdacht hege, er färbt. Ich muss mich anstrengen, um mit dem hageren, alten Knaben Schritt zu halten, der sich für jemanden seines fortgeschrittenen Alters wahnsinnig schnell bewegt. Während ich vor Anstrengung keuchend nach Luft schnappe, wiederhole ich meine Frage in etwas anderer Form: »Ich meine, sollten wir nicht ein paar Leute mehr sein?«
Kaum habe ich die Frage ausgesprochen, bleibt er so abrupt stehen, dass ich voll gegen ihn pralle. Ehrlich, mitten auf ihn drauf. So was von peinlich.
»Für die ist es jetzt leider zu spät, Miss«, sagt er, völlig unerschüttert davon, wie ihm meine Umhängetasche soeben ins Kreuz gedonnert ist. Und im nächsten Moment nimmt er mir die Tasche sachte von der Schulter und ergänzt: »Nicht bei dem Dunst, der da gerade aufzieht.«
Ich blinzele. Mit zusammengekniffenen Augen und gerümpfter Nase sehe ich mich um und kapiere nicht ganz, was er meint. Ja, es ist ein bisschen bedeckt, wolkig und grau, aber hey, wir sind in England, da ist das doch ganz alltäglich, oder? Außerdem sehe ich überhaupt keinen Nebel. Nicht die Spur. Also drehe ich mich zu ihm um und sage genau das, sicher, dass ich ihn wegen seines Akzents und alldem missverstanden habe.
Doch er sieht mich lediglich mit strenger Miene an und wedelt mit den Fingern, damit ich rasch einsteige. »Nebel ist nichts im Vergleich zum Dunst«, sagt er. »Und jetzt kommen Sie, wir müssen los, ehe es noch schlimmer wird.«
Ich rutsche hastig auf den Rücksitz des Vans, ziehe meinen marineblauen Peacoat enger um mich, während er vorne einsteigt und die Tür zuschlägt. Ich grabe die Finger tief in die rechte Tasche und betaste die kleine Münze, die meine Großmutter vor vielen Jahren in den Saum genäht hat, damals, als die Jacke noch meiner Mutter gehörte, lange bevor sie starb und das Stück an mich überging. Ich sehe aus dem Fenster, die Stirn an die verschmierte Scheibe gedrückt, und denke, dass ich, wenn ich mich nur genug anstrenge, schon den Dunst sehen werde, der ihm solche Sorgen bereitet. Aber ich sehe ihn nicht. Also mache ich einen letzten Versuch. »Also, für mich sieht es ziemlich klar aus …«
Doch er schnaubt nur. »So funktioniert das mit dem Dunst«, erwidert er, den Blick auf die Straße gerichtet. »Er ist nie, was er scheint.«
Ich schlafe ein.
Jedenfalls
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