Verdammt (German Edition)
ihren Freund, die sich hinter ihn ducken. »Ach, und die Wunde an deinem Hals? Das war keine Rose, wie du glaubst. Den Dorn müsste ich erst noch sehen, der einen solchen Schaden anrichten und zwei strategisch platzierte Stichwunden mitten an der zartesten Stelle hinterlassen kann.« Kopfschüttelnd zupft er Lehm und Blätter von seinem Hemd. »Und dieser Friedhof da draußen? Das ist die jüngste Adresse deines Liebhabers in spe. Ganz ehrlich, er hat das letzte Jahrhundert zwei Meter unter der Erde verbracht und nur darauf gewartet, dass du auftauchst und ihn rettest. Und nachdem er erst einmal ausgezogen war, hat er versucht, mich zum Einzug zu zwingen.« Er sieht an sich herab. »Tut mir leid, wenn ich so verdreckt bin, aber ich musste mich regelrecht herausgraben.«
»Aber das ist doch lächerlich«, sage ich und spüre Lucians Hände auf meinem Rücken, auf meinem Hals, während er versucht, mich von Bram loszueisen und wieder zu sich zu ziehen.
»Ich weiß, es klingt verrückt«, sagt Bram. »Aber ich kann dir sogar noch wesentlich mehr erzählen. Immerhin bin ich im Lauf der Jahre auf genug Gothic-Festivals gewesen, um das Echte vom Unechten zu unterscheiden. Und das hier, Dani, ist nicht unecht.«
Lucian schlingt mir die Hände um die Hüften und presst mir den Mund ans Ohr. Ich weiß, er will, dass ich ihn noch einmal küsse, diesmal inniger, solange es noch geht. Und obwohl ich es auch will, obwohl ich weiß, dass er dahinschwindet und sein Leben am seidenen Faden hängt, kann ich einfach nicht. Nicht, wenn Bram mich so ansieht. Nicht, wenn Camellia am Ausrasten ist. Nicht, wenn noch so vieles ungesagt ist.
»Hast du mal das Bild von dir im Flur angeschaut?«, fragt Bram aufgebracht. »Ist das nicht gruselig? Aber weißt du was? Es stammt nicht von 1896, das wollen sie dir nur weismachen. Wahrscheinlich wurde es erst letzte Woche gemalt.«
»Woher willst du das wissen?«, sage ich, während mir aufgeht, wie albern es ist, dass ich von all den Dingen, die er mir gesagt hat, ausgerechnet das infrage stelle. Doch als mir wieder einfällt, dass ich, als ich das Bild berührte, das Gefühl hatte, ich würde mich selbst berühren, kneife ich die Augen noch enger zusammen.
Er zuckt die Achseln und geht nicht weiter darauf ein. »Ach, egal, ich schweife ab, darum geht es ja gar nicht.«
»Worum geht es denn dann?« Ich ziehe die Schulter bis zum Ohr hoch, damit Lucian aufhört, an meinem Hals zu lecken.
»Der Punkt ist, dass nichts von alldem hier das ist, was du glaubst. Sie benutzen dich. Du bist ihr fehlendes Bindeglied. Der einzige Grund, warum du hier bist, ist, den Toten zu malen, den Toten aus dem Grab zurückzuholen, den Toten zu küssen und ihn wieder zum Leben zu erwecken. Ach, und falls es dir nicht aufgefallen ist, diese beiden«
– er zeigt auf Camellia und ihren Freund – »sind auf ewig
verschriebene Bedienstete, die an das Haus gefesselt sind. Sie leben und sterben damit. Es ist ein Pauschalangebot.«
Als ich sie erneut ansehe, weiß ich, dass das stimmt. Camellia ist nicht Violets Tochter, sondern alle beide sind ein und dieselbe Person. Und der Rothaarige ist der Fahrer, der gruselige, alte Mann, der mich hierhergebracht hat.
»Eine andere Blume, aber dasselbe Mädchen.« Bram mustert mich. »Offenbar hast du mit deinen Bildern alle zu neuem Leben erweckt.«
»Aber wie?« Fast alles, was er sagt, verwirrt mich. Nichts davon klingt auch nur ansatzweise schlüssig.
Er sieht mich mit ernster, gefasster Miene an. »Sie haben dich für die Restauration hierhergelockt. Glaub mir, Dani, das ist keine Kunstschule – jedenfalls keine von der Sorte, wie du sie dir erhofft hast. Es gab nie einen richtigen Wettbewerb, und es gibt keine anderen Studenten, die vom Nebel aufgehalten wurden. Es ist alles eine einzige, perfekt organisierte List, um an dich ranzukommen. Es ging immer nur um dich, Dani. Sie brauchen deine Träume, deine Fantasie, dein Talent – deine künstlerische Begabung hat die Restaurierung vollendet und alles wieder in seiner früheren Pracht erstehen lassen. Doch was deine Verbindung zu dem Haus angeht – warum es dir so vertraut erscheint, so heimelig, oder in deinem Fall vielleicht sogar besser als dein Zuhause?« Er zieht eine Braue hoch. »Das ist ihr Einfluss. Es ist nicht real.« Er macht eine Pause, um seine Worte auf mich wirken zu lassen. »Du musst das nicht tun, du musst dich ihren Plänen nicht fügen. Du bist diejenige, die hier das Sagen hat. All das hier,
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