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Entscheidung in Cornwall

Entscheidung in Cornwall

Titel: Entscheidung in Cornwall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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1. K APITEL
    Er achtete darauf, dass sie ihn nicht sah, während er sie beobachtete. Sie hatte sich in den fünf Jahren kaum verändert. Die Zeit schien weder im Sturmschritt gelaufen noch im Schneckentempo gekrochen zu sein. Sie hatte scheinbar stillgestanden.
    Ramona Williams war eine kleine, schlanke Frau, deren schnelle Bewegungen eine unterschwellige Nervosität verrieten. Ihre Haut hatte die goldene Bräune, die man nur von der kalifornischen Sonne bekommt, und mit ihren fünfundzwanzig Jahren hatte sie die weiche, taufrische Haut eines Kindes. Sie hätschelte sie, wenn es ihr gerade einfiel, und vernachlässigte sie, wenn sie sie vergaß, ihre Haut war dennoch immer gleich bleibend weich. Ramonas langes Haar war dicht, glatt und schwarz von Natur. Sie trug es meistens offen. Es reichte ihr bis an die Hüften.
    In ihrem zarten Gesicht fielen besonders die hohen Wangenknochen auf. Ramona lächelte oft und gern, doch ihre Augen verrieten ihre Gefühle. Sie waren rauchgrau. Was immer Ramona empfand, spiegelte sich in diesen Augen. Sie hatte ein überwältigendes Verlangen danach, zu lieben und geliebt zu werden. Und dieses Verlangen, diese Sehnsucht waren ein Geheimnis ihres unglaublichen Erfolges. Es gab aber noch ein zweites: ihre Stimme – die herrliche, dunkle und samtene Stimme, die sie über Nacht berühmt gemacht hatte.
    Ramona fühlte sich in einem Aufnahmestudio nie ganz wohl. Es glich einer Insel, war durch die gläserne Trennwand und die übrigen schalldichten Wände und Türen von der übrigen Welt abgeschnitten. Vor mehr als sechs Jahren hatte sie ihre erste Platte aufgenommen, aber sie hatte nie Gefallen an der Arbeit im Studio gefunden. Sie war für die Bühne geboren, brauchte den Kontakt mit dem Publikum, denn die Zuhörer ihrer Konzerte gaben der Musik Leben.
    Für Ramona war ein Studio zu steril, sie verabscheute seine Technik. Wenn sie in einem Studio arbeitete wie eben, dann war das für sie nur ein Job. Und sie arbeitete hart.
    Alles ging gut, es gab keine Schwierigkeiten. Ramona hörte so konzentriert einem Playback zu, dass die Umgebung um sie herum versank. Für sie gab es nur noch die Musik. Ich war gut, sagte sie sich, aber ich kann noch besser sein.
    Etwas fehlte im letzten Lied, sie hatte etwas ausgelassen. Ohne genau zu wissen, was es war, war sie überzeugt, dass sie es finden könnte. Sie signalisierte dem Toningenieur, das Band zu stoppen.
    »Marc?«
    Ein blonder Mann mit der Figur eines Leichtgewichtringers kam zu Ramona in die Kabine. »Gibt’s ein Problem?«, fragte er und legte ihr leicht die Hand auf die Schulter.
    »Die letzte Nummer, sie ist ein bisschen …« Ramona suchte nach dem richtigen Wort. »Sie klingt irgendwie leer«, sagte sie schließlich. »Was meinst du?«
    Sie hielt viel von Marc Ridgely als Musiker, und er war ein Freund, auf den sie sich verlassen konnte. Er war ein wortkarger Mann mit einer Leidenschaft für alte Western und Salzmandeln. Viele hielten ihn für einen der besten Gitarristen des Landes.
    Jetzt strich er sich nachdenklich den Bart, Ramonas Ansicht nach eine Geste, die ihm mehrere Sätze ersparte. »Mach’s noch einmal«, sagte er dann. »Der Instrumentalteil ist in Ordnung.«
    Ramona lachte, und dieses Lachen klang so voll und warm wie ihre Singstimme. »Ein zwar grausames, aber gerechtes Urteil«, sagte sie, setzte den Kopfhörer wieder auf und trat vor das Mikrofon. »Noch einmal die Singstimme von ›Lieb und verlier‹«, wies sie die Tontechniker an. »Die für mich höchste Autorität hat erklärt, dass es an der Sängerin liegt, nicht an den Musikern.«
    Sie sah Marc noch schmunzeln, ehe sie sich auf das Mikrofon konzentrierte, und alles andere außer der Musik wurde unwichtig.
    Ramona schloss die Augen und gab sich ganz ihrem Gesang hin. Sie interpretierte eine langsame, wehmütige Ballade, ihrer rauchig tiefen Stimme angepasst. Den Text hatte sie vor langer Zeit selbst geschrieben. Erst vor Kurzem hatte sie die Kraft gehabt, ihn öffentlich zu singen. Jetzt war nur Musik in ihrem Kopf, eine Notenfolge, die sie selbst arrangiert hatte. Und als ihre Stimme dazukam, wusste sie, dass das, was vorher gefehlt hatte, ihre Gefühle gewesen waren. Sie hatte Angst gehabt, sich preiszugeben, und hatte sich zurückgehalten. Jetzt gab sie sich rückhaltlos, und ihre Stimme verlieh ihren Gefühlen Ausdruck.
    Ein Hauch von Schmerz erfüllte sie. Es war ein Schmerz, der seit Jahren tief in ihr begraben gewesen war. Sie sang, als könnten die Worte

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