Verdammt (German Edition)
sich zu mir zu gesellen, doch dann entschied er sich dafür, hinter Chad zu gehen, sodass wir im Gänsemarsch hintereinander hertrotteten. Fünf Minuten lang sprach niemand ein Wort. Dann räusperte sich Neil.
»Ich finde, wir sollten uns trennen«, sagte er. »Wir haben keine Ahnung, ob der nächste Ort zwanzig Meilen da vorn liegt oder fünf Meilen in der Richtung, aus der wir kommen. Oder eine Meile die Straße rauf, die wir gerade überquert haben.«
»Ich glaube nicht …«, hob ich an.
Chad fiel mir ins Wort. »Da hast du Recht.« Er blieb stehen und sah sich um. »Kat kann in die Richtung weitergehen. Ich gehe zurück. Und du kannst die Seitenstraße nehmen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Und was tun wir, wenn einer
von uns einen Ort findet? Wir haben keine Möglichkeit, um in Kontakt zu bleiben.«
Ein triftiger Einwand. Doch keiner von beiden ging darauf ein, also ließ ich sie Marguerites Handynummer auswendig lernen und stapfte davon.
Während ich durch den Wald trottete, verfluchte ich Chad und Neil. Lag es nur an mir, oder war das die dümmste Idee aller Zeiten?
Obwohl ich stocksauer war, plagte mich die Frage, ob diese Trennung meine Schuld war. Vielleicht hätte ich den Mund halten sollen, als sie sich gegenseitig angifteten. Aber dazu hätte es schon Klebeband in Profistärke gebraucht. Wir waren gerade erst Kidnappern entkommen. Wir rannten – oder vielmehr liefen – um unser Leben. Und sie glaubten, sich gegenseitig Beleidigungen an den Kopf zu werfen, sei ein sinnvoller Zeitvertreib?
Nein, ich hätte nicht den Mund halten können. Falls das sie dazu bewogen hatte, getrennte Wege zu gehen, dann war es eine wirklich lahme Ausrede.
Aber vielleicht war es genau das gewesen. Eine Ausrede. Nicht um voneinander wegzukommen, sondern von mir. Um eine gewisse Distanz zwischen sich und der Blutsaugerin zu schaffen, bevor sie Hunger kriegt.
Egal. Ich würde in einen Ort kommen und Marguerite anrufen, und wenn die Jungs Angst davor hatten, sich in Gegenwart von Vampiren aufzuhalten, konnten sie sich selbst eine Fahrgelegenheit besorgen. Ich würde sie nie wieder sehen. Was mir ganz recht war. Schließlich waren sie nicht auf einmal meine engsten Freunde oder so.
Trotzdem war es schön gewesen, andere junge Leute aus
demselben Experiment kennenzulernen. Andere Vampire. Bloß dass sie keine Vampire waren. Keine richtigen. Aber ich glaube, irgendwie gefiel mir die Vorstellung, jemanden kennen zu lernen, der einigermaßen nachvollziehen konnte, was ich durchmachte, jemanden, der …
Plötzlich spürte ich jemanden in der Nähe. Ganz in der Nähe. Ich wirbelte herum und sah Neil durch den Wald traben. Er hielt die Hände in die Höhe und hatte immer noch die Pistole im Hosenbund stecken.
»Es bin nur ich«, sagte er.
»Habt ihr was gefunden?«
»Nein.« Er bedeutete mir, ihm zu folgen. »Komm mit. Wir müssen tiefer in den Wald, ehe sie hier sind.«
»Sie kommen uns nach?«, fragte ich und stapfte hinter ihm her. »Hast du Chad Bescheid gesagt? Wir müssen …«
»Wir müssen einen möglichst großen Bogen um Chad machen. Schließlich ist er derjenige, der sie verständigt hat.«
Ich blieb stehen. »Was?«
Er fasste mich am Ellbogen und zog mich in den Wald. »Er ist ein Spitzel. Das hab ich schon von Anfang an vermutet, aber jetzt bin ich mir sicher. Er hat sie verständigt. Deshalb wollte er ja, dass wir uns trennen.«
Ich löste mich unsanft aus seinem Griff. »Nein, du wolltest, dass wir uns trennen. Es war deine Idee.«
»Ganz meiner Meinung«, sagte jemand neben uns.
Chad kam aus den Büschen gefegt und stürzte sich auf Neil. Er griff nach der Pistole, erwischte jedoch nur Neils Arm, und die Waffe flog davon. Ich bückte mich nach ihr. Wir alle bückten uns. Aber ich war am schnellsten und schnappte sie mir. Dann wich ich zurück und zielte abwechselnd mit der Waffe auf die beiden. Sie erstarrten.
Ich sah auf die Pistole in meinen Händen hinab und musste wieder an jenen tödlichen Schuss denken. Doch diesmal zog die Erinnerung mit nur einem Funken von Gefühl an mir vorüber.
»Wer hat denn vorgeschlagen, dass wir uns trennen?«, fragte Chad nach einer Weile. »Wenn es hier einen Spitzel gibt, dann ist es ja wohl er.«
»Ich habe es nur vorgeschlagen, um dich aus der Reserve zu locken«, erwiderte Neil. »Sich zu trennen war eine dämliche Idee. Katiana wusste das. Aber du warst gleich Feuer und Flamme, weil es dir die Gelegenheit geliefert hat, die Kopfgeldjäger
Weitere Kostenlose Bücher