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Verführer oder Gentleman? (German Edition)

Verführer oder Gentleman? (German Edition)

Titel: Verführer oder Gentleman? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Dickson
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weckte dummerweise ein neues Interesse in ihr – etwas, das sie früher flüchtig gespürt, aber niemals richtig wahrgenommen hatte. Bis zu ihrem ersten Blick in diese Silberaugen …
    Ein wehmütiges Lächeln umspielte ihre Lippen. „Hässlich wie die Nacht“, hatte Sedgwick, der Freund des Dukes, sie genannt. Und wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass sie an jenem Abend wirklich grauenhaft ausgesehen hatte. Trotzdem entschuldigte das keineswegs die infame Behauptung des Hausherrn, sie würde einer von „Farmer Shepherds Vogelscheuchen“ gleichen. Diese Worte wiesen auf einen Charakterzug hin, der ihr sehr viel über diesen Mann verriet. Könnte sie Lansdowne House verlassen, würde sie es tun. Leider würde sie keine andere Position finden, für die sie sich dank ihrer Qualifikation so hervorragend eignete und die ihr so viel Geld einbrachte.
    Aber wie sollte sie die ständige Nähe des Dukes ertragen, der sie verachtete?
    Sie schloss ihre Tür hinter sich und folgte dem Korridor. Im Haus herrschte tiefe Stille. Offenbar schliefen die übrigen Bewohner noch. Juliet stieg die Treppe hinab und erreichte die menschenleere Eingangshalle. Nun hörte sie Stimmen und klirrendes Geschirr, schlug die Richtung ein, aus der die Geräusche drangen, und betrat die Küche.
    In dem großen, perfekt ausgestatteten Raum wehten ihr köstliche Düfte entgegen. Alle Arbeitsflächen waren glänzend poliert, ein wuchtiger Herd mit glühenden Kohlen nahm fast eine ganze Wand ein. Auf zwei großen Tischen standen Kupfertöpfe und – pfannen zwischen Schüsseln und Hackbrettern, ein hoher Schrank enthielt Porzellan und funkelndes Silbergeschirr.
    Unter den wachsamen Blicken der Köchin eilten geschäftige Mägde umher. Jetzt wandten sich alle zur Tür und starrten den Neuankömmling an. Lächelnd nickte Juliet den Mädchen zu, die scheinbar unbeeindruckt wegschauten. Sie gehörte zwar genauso zu den Angestellten des Dukes, nahm jedoch eine gehobene Position ein und stand über dem anderen Personal.
    Einen langstieligen Kochlöffel in der Hand, musterte die Köchin das neue Mitglied des Haushalts von oben bis unten. Schließlich brach die stattliche, vollbusige Frau ihr Schweigen. „Sie müssen Miss Lockwood sein.“
    „Ja, die bin ich“, bestätigte Juliet verlegen und fühlte sich wie ein unbefugter Eindringling.
    „Sie sind wohl nicht aus dieser Gegend?“, fragte die Köchin, als hätte Juliet soeben erklärt, sie würde einem Gebiet außerhalb der Zivilisation entstammen.
    „Nein.“
    „Fühlen Sie sich inzwischen besser?“
    „Ja, danke, viel besser.“
    „Wie schön.“
    „Sie sind Mrs Reed, nicht wahr?“ Diesen Namen hatte Dolly erwähnt.
    „Ja, ich koche für Seine Gnaden. Seit dreißig Jahren arbeite ich in diesem Haus.“
    „Freut mich, Sie kennenzulernen, Mrs Reed.“ Schon jetzt erkannte Juliet, wie schwierig es sein würde, sich mit der Köchin gut zu stellen. „Ich muss Ihnen für die ausgezeichneten Mahlzeiten danken, die Dolly freundlicherweise in mein Zimmer gebracht hat. Dürfte ich Sie um eine Tasse Kaffee bitten? Und könnten Sie mir vielleicht einen Toast in die Bibliothek schicken? Ich möchte mich an meinem Arbeitsplatz umsehen.“
    Allzu glücklich wirkte Mrs Reed nicht, weil sie eines ihrer Mädchen beauftragen sollte, die neue Angestellte zu bedienen. Das hatte Dolly in letzter Zeit oft genug tun müssen.
    Trotzdem nickte die Köchin widerstrebend. „Ich bereite ein Tablett vor. Das wird Dolly Ihnen bringen. In Zukunft wüsste ich’s zu schätzen, wenn Sie Ihr Frühstück selber holen. Die Mädchen haben genug zu tun. Auch wenn sie nicht zwischen der Küche und der Bibliothek hin- und herlaufen.“
    Obwohl die Worte nicht unhöflich klangen, war die Zurechtweisung unmissverständlich.
    Juliet lächelte sanft. „Tut mir leid, Mrs Reed“, beteuerte sie, und die Köchin schnaufte. Mit gutem Grund sollte das vermutlich bedeuten. „Ab morgen werde ich mich selber um mein Frühstück kümmern.“
    Danach blieb ihr nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten.
    Sir John besaß eine sehr eindrucksvolle Bibliothek. Aber sie ließ sich nicht mit dem Büchersaal in Lansdowne House vergleichen. Sobald Juliet in dem wunderbaren Raum stand, spürte sie die friedliche Ruhe, die er ausstrahlte. Die Luft roch nach Bienenwachs und altem Leder. Erfreut atmete sie den angenehmen Duft ein.
    In einer Ecke stand ein Globus neben einer Vitrine voller Kunstgegenstände und Kuriositäten.

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