Verfuehrt
getan, für das Sie sich bedanken müssten«, erwidert Matteo, und ich höre trotz seines Lächelns die Warnung in seiner Stimme, erkenne sie in seinem Blick, der jetzt auf mich gerichtet ist. Er ist unbestechlich und wird seine ehrliche Meinung zu dem Gemälde sagen – auch wenn es tatsächlich nicht von Enzo stammen sollte.
»Dennoch«, beharrt Dad, dem diese Zwischentöne entgehen. Oder vielleicht ignoriert er sie auch absichtlich. »Es ist eine Erleichterung für uns, dass Sie zugestimmt haben, die Expertise für uns zu übernehmen.«
»So etwas tue ich tatsächlich selten«, bestätigt ihm Matteo, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen, und mir läuft ein Schauer über den Rücken, weil in seinem Blick plötzlich etwas liegt, das ich darin während der gesamten Fahrt nicht gesehen habe – ein herausforderndes Funkeln, das mein Herz schneller schlagen lässt.
»Das müssen Sie ja auch nicht, oder?« Nigel lächelt zwar, als er das sagt, doch es erreicht seine Augen nicht. »Wie ich hörte, ist Ihre Familie sehr vermögend.«
Seine Stimme klingt aggressiv, fast anklagend, und ich werfe ihm einen erstaunten Blick zu. Es stimmt, die Bertanis sind mit ihrem Design-Konzern weltweit erfolgreich, und natürlich ist Matteo deshalb finanziell unabhängig. Aber Nigel lässt es so klingen, als wäre die Tatsache, dass er trotzdem der Tätigkeit nachgeht, die ihm am Herzen liegt, irgendwie anrüchig. Dabei zeigt das doch nur, mit welcher Passion Matteo seine kunstgeschichtlichen Forschungen betreibt, und das spiegelt sich auch in der Anerkennung, die er sich vor allem in seinem Fachgebiet – den Werken des Renaissance-Malers Enzo di Montagna – in recht kurzer Zeit erworben hat.
Matteo wirkt jedoch nicht verärgert, sondern mustert Nigel mit einem leichten Lächeln, das fast schon etwas Herablassendes hat.
»Nein, das müsste ich nicht.«
»Und warum tun Sie es dann?« In Nigels Augen liegt jetzt ein herausforderndes Funkeln, das Matteo nicht entgehen kann. Tut es auch nicht, denn ich sehe, dass auf seiner Wange ein Muskel zuckt, obwohl immer noch ein Lächeln auf seinen Lippen liegt. Er vertieft es sogar noch, und dreht den Kopf zu mir, hält meinen Blick fest.
»Weil es Menschen gibt, für die es sich lohnt, eine Ausnahme zu machen«, sagt er dann und legt leicht den Arm um mich, sodass seine Hand auf meiner Hüfte ruht.
2
Nigel starrt mich wie gebannt an, scheint nicht fassen zu können, was er sieht, und Dad räuspert sich mehrfach, was er immer tut, wenn ihn eine Situation überfordert.
Das nehme ich jedoch nur am Rande wahr, denn ich bin selbst völlig perplex, spüre Matteos leichte Berührung Rücken und versinke dann in seinen Bernstein-Augen, in denen jetzt ein ganz anderer Ausdruck liegt. Einer, der mir den Atem nimmt …
»Nun, dann ist es wirklich ein Glück, dass Sophie es geschafft hat, Sie zu überreden«, sagt Dad und reißt mich – endlich – aus meiner Erstarrung. Hastig trete ich einen Schritt zur Seite und fühle, wie meine Wangen heiß werden.
»Konntest du eigentlich diesen Bildband auftreiben, den ich dir am Telefon genannt hatte?«, frage ich meinen Vater hastig, und er reagiert sofort – worauf ich spekuliert hatte.
»Ja, natürlich.« Er dreht sich zu seinem Schreibtisch um und deutet auf ein großes, schweres Buch, das dort am Rand bereit liegt. »Es müsste genau das sein, was Signore Bertani haben wollte.«
Das weckt Matteos Interesse. »Darf ich es mir ansehen?«
»Bitte.« Mein Vater nickt auffordernd, und als Matteo an den Schreibtisch tritt, erkenne ich an dem Leuchten in seinen Augen sofort, dass es das richtige Buch ist.
»Ja, das habe ich gemeint«, stellt er zufrieden fest und blättert kurz darin.
Er braucht diese besonders seltene Ausgabe als Referenz für die Expertise und wusste zum Glück, dass die British Library hier in London ein Exemplar besitzt. Deshalb hatte ich Dad beauftragt, es schon mal zu beschaffen.
»Benötigen Sie sonst noch irgendetwas?«, erkundigt sich Dad, doch Matteo schüttelt den Kopf.
»Nein, vielen Dank. Ich habe einiges aus Rom mitgebracht, und falls ich sonst noch etwas brauche, kümmere ich mich darum.«
Und vermutlich kriegt er dann auch, was er will, denke ich, denn bei unserem überstürzten Aufbruch in Rom habe ich live erleben können, wie effektiv er sein kann, wenn er etwas organisiert. Ich hatte meinen Koffer, den ich in Rom am Flughafen schon eingecheckt hatte, in Rekordzeit wieder zurück. Und das lag nicht an dem
Weitere Kostenlose Bücher