Verfuehrt
furchtbar. Und die Art, wie deine Frau dich hintergangen hat, auch. Aber du darfst nicht zulassen, dass es immer noch dein Leben bestimmt und dich quält. Das ist vorbei, und du musst irgendwann neu anfangen.«
Wieder schnaubt er nur, und langsam bekomme ich Angst. Weil er anders ist als sonst. Richtig außer sich. Ich habe ihn erst einmal so erlebt, damals, als seine Großmutter mir beinahe erzählt hätte, was ich jetzt von seiner Mutter weiß. Danach haben wir uns getrennt, weil er mich einfach weggestoßen hat. Weil er absolut nicht wollte, dass ich zu dem vordringe, was ihn auch nach Jahren so quält, was ihn nicht loslässt. Und das wird er wieder tun, das spüre ich. Es ist die Grenze, an die ich mit ihm jedes Mal aufs Neue stoße, an der ich scheitere – und das darf nicht passieren. Nicht noch mal.
»Matteo, bitte, du musst mit mir darüber reden. Ich verstehe ja, dass es dir schwer fällt, aber gemeinsam können wir …«
Matteo hebt die Hand. »Hör auf, Sophie. Lass es. Du verstehst nichts. Gar nichts. Es ist nicht vorbei. Giulias Tod ist …« Er schüttelt den Kopf, und als er mich dann wieder ansieht, brennen seine Augen heiß wie flüssiges Gold, bohren sich in meine, versengen mich. »Geh wieder nach England«, sagt er und schwingt die Tür auf, steigt aus. »Geh zurück und vergiss mich einfach.«
Er knallt die Tür so fest wieder zu, dass ich zusammenzucke, und geht zum Haus. Meine Hände zittern, als ich sie auf die Entriegelung für meine Tür lege, und ich kann nicht sagen, ob vor Schreck oder vor Wut. Wahrscheinlich mischt sich beides in mir gerade zu einem sehr explosiven Cocktail. Denn wenn er glaubt, dass er das einfach so tun kann, dass er mich schon wieder einfach so wegschicken kann, ohne Erklärung, dann irrt er sich.
»Matteo, warte!«, rufe ich und laufe hinter ihm her. In der Eingangshalle der Villa hole ich ihn ein und halte ihn am Arm fest, zwinge ihn, sich zu mir umzudrehen. »Ich werde nicht gehen, bevor du es mir nicht gesagt hast, hörst du? Was ist mit Giulias Tod? Wieso ist es nicht vorbei?«
Für einen Moment schweigt er, fixiert mich wütend. Aber ich halte seinem Blick stand, lege meine gesamte Entschlossenheit hinein. Und dann gibt er nach. Seine Brust hebt sich, und er stößt schwer die Luft aus, ballt die Hände zu Fäusten.
»Weil sie noch leben könnte, wenn ich schneller gewesen wäre. Weil ich schuld daran bin, dass sie abgestürzt ist.«
Überrascht starre ich ihn an, und mir fällt jener Morgen wieder ein, als ich bei ihm war und er diesen Albtraum hatte. Auch da hatte er davon gesprochen, dass er den Unfall hätte verhindern müssen, aber ich dachte damals, dass es vielleicht seine Art der Trauerbewältigung ist. Denn das ist absurd.
»Es war ein tragisches Unglück, Matteo. So etwas passiert nun mal. Das konnte doch niemand voraussehen!«
Weil Matteo nie etwas darüber erzählt, habe ich über den Tod seiner Frau recherchiert und gelesen, was immer es über den Absturz des Sportflugzeugs zu finden gab, deshalb bin ich mir sicher, dass es ein Unfall war. Giulia Bertani verlor auf einem Übungsflug, den sie zusammen mit ihrem Fluglehrer absolvierte, die Kontrolle über die Maschine, die daraufhin ins Meer stürzte. Es war menschliches Versagen, ein Pilotenfehler, denn an der Maschine konnten bei der anschließenden Untersuchung der Polizei keine technischen Mängel festgestellt werden. Wie also hätte Matteo, der sich zu der Zeit gerade von den Folgen seiner schweren Brustverletzung erholte, das verhindern sollen?
»Ich wusste, dass sie abstürzen würden«, sagt er zögernd und stößt wieder die Luft aus, hat offensichtlich Schwierigkeiten, es auszusprechen. »Aldo hatte mir eine SMS geschrieben.«
»Aldo?«
»Ihr Fluglehrer. Giulia hatte auch mit ihm ein Verhältnis, aber sie meinte es nicht ernst. Sie hat nie etwas ernst gemeint. Weder die Ehe mit mir noch eine ihrer zahlreichen Affären. So war sie. Für sie war die Liebe ein Spiel. Sie mochte die Aufmerksamkeit, sie liebte es, im Mittelpunkt zu stehen – und sie hat nicht begriffen, was sie anderen damit antut.« Er schließt die Augen. »Aldo ist nicht damit fertiggeworden. Er hat es nicht ertragen, dass er sie nicht haben konnte.« Matteo öffnet die Augen wieder und starrt blicklos vor sich hin, ganz in die Erinnerungen versunken. »Er hat mir eine SMS geschrieben und mir angekündigt, dass er ihr noch eine Chance gibt. Dass er sie auf dem Flug zwingen würde, sich zu ihm zu bekennen, und
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