Verfuehrt
der zu seinem Anzug einen auffälligen grünen Seidenschal trägt.
»Andrew!«, rufe ich überrascht und laufe zu ihm, um ihn zu umarmen. »Ich dachte, du wärst auf Sizilien!«
Das zumindest war die Auskunft, die ich erhielt, als ich versucht habe, ihn zu erreichen. Ich will ihn immer noch gerne sprechen, um mit ihm gemeinsam zu überlegen, welche Möglichkeiten ich beruflich in Rom hätte, deshalb freue ich mich wirklich sehr, ihn zu sehen.
Er grinst. »Bis vor ein paar Tagen war ich das auch, aber dann hat es mich doch wieder zurück nach Hause gezogen. Und als ich Giacomo anrief, und er mir erzählte, dass ihr heute Abend herkommt, fanden wir, dass es Zeit wäre für ein Wiedersehen. Deshalb hat er mich spontan auch eingeladen.«
Giacomo, der Matteo schon begrüßt hat, umarmt nun auch mich. »Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen«, sagt er und reicht auch mir und Matteo ein Glas leuchtend orangefarbenen Negroni, den er als Aperitif vorbereitet hat.
»Und, ist das wahr, was Giacomo sagt?«, fragt Andrew einen Moment später, als wir bei den beiden in den Sesseln sitzen und an den bitteren Cocktails nippen. Er mustert mich neugierig über den Glasrand. »Du kommst nach Rom?«
»Na ja«, erwidere ich trocken. »Ich würde sagen, ich bin schon da.«
Andrew lächelt, doch er ist auch sichtlich überrascht. »Und dein Vater? Braucht er dich denn nicht im Geschäft?«
»Er ist die letzten Wochen auch gut ohne mich ausgekommen«, erkläre ich entschieden. »Sicher findet er bald einen Ersatz für mich.«
Andrew betrachtet mich stirnrunzelnd, doch er hakt zum Glück nicht weiter nach, scheint sich einfach nur zu freuen, dass ich mich, wie er, entschlossen habe, in Italien zu leben.
»Na, sowas!«, erklärt er und lächelt Matteo strahlend an. »Sophie muss wirklich etwas für Sie übrighaben, Signore Bertani, wenn sie Ihretwegen London verlässt. Ich kann mir das ›Conroy’s‹ gar nicht vorstellen ohne sie.«
Ich weiß, dass das ein Kompliment sein sollte. Trotzdem ärgere ich mich darüber, wie er das formuliert hat, und sehe rasch zu Matteo hinüber, der jedoch nur sein Glas in der Hand dreht und leicht lächelt.
»Ja, ich wundere mich auch, dass sie sich dazu entschlossen hat«, erwidert er und als er den Kopf zu mir dreht, erkenne ich wieder diesen vorsichtigen Ausdruck in seinen Augen, so als hätte ihn Andrew durch seine Bemerkung unabsichtlich wieder an seine Zweifel erinnert.
Andrew redet schon weiter, ist eindeutig in Plauderlaune, was so typisch für ihn ist.
»Aber so ist das mit Rom, nicht wahr?«, sagt er mit einem Seufzen und nimmt noch einen Schluck von seinem Negroni. »Ich bin dem Charme der Stadt damals auch verfallen und geblieben. Und das scheint nicht nur mir so zu gehen. Gerade gestern erst traf ich einen alten Bekannten von mir wieder, Luigi Crispi, du kennst ihn, Giacomo, oder? Jedenfalls erzählte er mir ganz begeistert, dass sein Sohn gerade wieder nach Rom zurückgekehrt ist, nach fast sechs Jahren. Dabei hatte er sich in Südamerika eine Existenz aufgebaut und eine erfolgreiche Firma gegründet. Aber das Heimweh hat ihn jetzt wohl doch zurück nach Italien getrieben. Luigi sagt, er hat alles verkauft und lebt mit seiner Familie wieder hier.« Andrew lächelt versonnen. »Ich kann das verstehen. Ich bin zwar kein gebürtiger Italiener, aber mich haben diese Stadt und dieses Land auch gepackt. Ich könnte mir nicht mehr vorstellen, meine Tage woanders zu verbringen.«
Giacomo und Matteo beachten Andrews Reflexionen jedoch gar nicht, sondern starren ihn an, als hätten sie einen Geist gesehen. Matteo ist ganz blass geworden und hält sein Glas fast krampfhaft umklammert. In seinem Gesicht arbeitet es.
»Fabio ist zurück?«, fragt er dann tonlos, und ich reiße erschrocken die Augen auf, als ich begreife, was das bedeutet.
21
»Ja, Fabio Crispi«, erwidert Andrew, der gar nicht wahrzunehmen scheint, wie entsetzt Giacomo und vor allem Matteo auf diese scheinbar belanglose Dinnerplauderei reagieren. »Ach, richtig, Sie kennen ihn auch, nicht wahr?«, sagt er zu Matteo. »Sie waren mit ihm zusammen auf der Schule, ich erinnere mich, dass Luigi das mal erwähnt hat.«
Dass es Fabio war, der Matteo Jahre später bei einer Prügelei fast umgebracht hätte, scheint er jedoch nicht zu wissen, denn er geht mit dem Thema nach wie vor völlig unbefangen um.
»Er ist inzwischen verheiratet«, erzählt er weiter. »Seine Frau ist Brasilianerin, und die beiden haben zwei Kinder. Luigi hat
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