Verführung auf Burg Kells (German Edition)
bestechen? Ihr erfahrener Lehrmeister hatte ihr damals auch geraten, Räubern in einer ausweglosen Lage alles anzubieten, was sie besaß, um Zeit zu gewinnen, um ihr Leben zu retten. Er hatte ihr eingeschärft, jedes Mittel einzusetzen, denn das Leben sei das höchste Gut, das ein Mensch besaß. Sie hatte begriffen, wovon er sprach, ohne eine nähere Erklärung zu fordern. Sein Ratschlag war ihr damals als männliche Sicht der Dinge erschienen, nun aber empfand sie das Angebot, zu dem sie sich gezwungen sah, belanglos im Vergleich zu dem, was für sie auf dem Spiel stand. „Ich flehe Euch an … bitte. Ihr
müsst
es tun“, flüsterte sie und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen, um ihm begreiflich zu machen, wovon sie sprach.
„Ich muss?“ fragte er, allem Anschein nach ahnungslos. „Worauf wollt Ihr hinaus?“
„Ich will sagen“, begann sie erneut und wandte den Blick ab. „Ihr könnt …“
„Was kann ich?“
„Ihr … könnt alles von mir haben … alles, wenn Ihr mir erlaubt, bei meinem Kind zu bleiben. Ich flehe Euch an, ihn mir nicht wegzunehmen.“ Die Worte klangen fremd in ihren Ohren, als würde eine andere Person sie aussprechen. Und er schwieg so lange, dass sie daran zu zweifeln begann, ob sie die Bitte tatsächlich laut ausgesprochen hatte. Es kostete sie große Überwindung, ihm wieder in die Augen zu schauen. „Es sei denn … es sei denn, Ihr wollt etwas anderes?“ Was für eine absurde Frage. Was besaß sie sonst noch, an dem ein solcher Unhold Interesse haben könnte?
Der Druck um ihre Handgelenke löste sich unvermutet, und ihre blutleeren Arme sanken kraftlos nach unten. Auch der lähmende Druck an ihrem Körper wich, als er sich aufrichtete und seine flachen Hände links und rechts von ihrem Gesicht an die Mauer legte und eine unüberwindliche Schranke bildete. Aber vermutlich hatte ihr unerhörtes Angebot ohnehin jeden Fluchtversuch unmöglich gemacht.
Ebony bemerkte die feinen Linien um seine Mundwinkel, Spuren eines harten Lebens, geprägt von Kampf und Blutvergießen. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass er ihr angedeutetes Angebot genau verstanden hatte, denn in seinen Augen ahnte sie seine Erfahrung mit Frauen, als er den Blick gemächlich über ihr Gesicht und ihre Gestalt wandern ließ. Falls ihn ihre Worte mit Triumph oder Verlangen erfüllten, so verbarg er diese Empfindungen meisterhaft. Aber sein Zögern bereitete ihr unerträgliche Qualen.
„Verstehe“, sagte schließlich gedehnt. „Ihr wollt also einen Handel mit mir eingehen?“ Der Blick seiner blauen Augen heftete sich schließlich auf die ihren, als suche er etwas hinter ihrem Tränenschleier.
Mutlos schalt Ebony sich töricht, auf den unsinnigen Rat des Waffenmeisters gehört und sich damit in diese überaus peinliche Situation gebracht zu haben. „Ja“, flüsterte sie bang und wandte den Blick ab. „Etwas anderes besitze ich nicht. Ich gehöre Euch, wenn Ihr mich haben wollt. Mein Leben ist wertlos ohne mein Kind. Wie Ihr seht, habe ich jede Scham verloren.“ Sie hoffte inständig, dass er diese Lüge nicht durchschaute.
„Das Leben Eures Sohnes ist nicht in Gefahr, Lady. Er dient uns nur als Druckmittel gegen Vergeltungsschläge. Ein verlockendes Angebot. Ihr seid also daran gewöhnt, Eure Gunst zu verschen…“ Weiter kam er nicht, da ihre Fingernägel seinen Augen plötzlich bedrohlich nah waren. Blitzschnell wich er zurück, packte ihre Handgelenke und drehte ihr die Arme auf den Rücken. „… an Räuber zu verschenken?“ beendete er seinen Satz seelenruhig.
„Nein, Sir!“ fauchte sie und funkelte ihn wütend an, tief gekränkt und entrüstet über seine Beleidigung. „Ich habe meinem Gemahl auch nach seinem Tod die Treue gehalten. Ihr seid der Erste, dem ich dieses Angebot mache, das ich zurückziehe, da Ihr an meiner Tugend zweifelt. Ihr seid ein ehrloser Schurke, ein nichtswürdiger Bandit, der nicht ahnt, welche Überwindung es mich kostet, mich anzubieten wie eine Ware. Ihr seid den Atem nicht wert, den ich an Euch verschwende. Vergesst meine Worte! Ich hätte es für mein Kind getan, nicht zu Eurem Vergnügen.“
„Ihr macht mir ein Angebot und widerruft es im nächsten Atemzug?“ Lächelnd presste er sich an sie. „Wie darf ich das verstehen?“
„Ein Mann Eures Schlages wird den Unterschied zwischen Wert und Preis niemals verstehen.“
„Mag sein. Allerdings bin ich nicht abgeneigt, Euer Angebot zu akzeptieren. Steht Ihr noch dazu?“
Ebony verschlug es die Sprache,
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