Verführung auf Burg Kells (German Edition)
höflichen Geste den Flur entlang. „Die zweite Türe links.“
„Aber das ist die Schreibstube des Verwalters“, entgegnete sie und strich sich das Haar aus dem Gesicht.
„Richtig. Er hätte es nicht überlebt, wenn wir ihn nach oben in sein Gemach gebracht hätten.“
„Und das wolltet Ihr vermeiden?“
„Eigentlich ja. Er hat Informationen, die ich brauche.“
„Und warum habt Ihr ihn verwundet?“
„Er kam mit diesen Verletzungen von seinem Raubzug zurück, Lady.“
„Ihr lügt!“
„Nein. Überzeugt Euch selbst. Seine Wunden sind einige Stunden alt.“
Ebony starrte ihn ungläubig an. „Und was ist mit meinem Kind?“
„Der Kleine amüsiert sich königlich. Ihm geschieht nichts.“
„Wie kann ich dessen sicher sein?“
Völlig unerwartet löste er mit geschickten Fingern das Netz in ihrem Nacken, und ihre schwarze Haarpracht ergoss sich feucht glänzend über ihre Schultern. Seine Augen verdunkelten sich, und ehe sie wusste, wie ihr geschah, lag sie wieder in seinen Armen. Vor Schreck brachte sie kein Wort des Protests über die Lippen. Seine Finger gruben sich tief in ihre Haarfülle, als er seinen Besitzanspruch erneut geltend machte, diesmal so heftig, dass ihr der Atem stockte, ihr die Knie schwach wurden und sie sich Halt suchend an ihn klammerte.
Seine Stimme klang heiser und ein wenig atemlos, als habe er Mühe, sich zu beherrschen. „Bevor unser Handel nicht wirklich besiegelt ist, könnt Ihr nicht sicher sein, Mylady. Ich rate Euch also, Euch nicht zu weit von mir zu entfernen, damit ich Euch jederzeit finden kann.“
2. KAPITEL
Nachdem die Tür zur Halle hinter ihm ins Schloss gefallen war, stiegen Zweifel in Ebony hoch, ob ihre Entscheidung, sich mit dem Fremden auf diesen ungeheuerlichen Handel einzulassen, nicht dem verwirrten Geist einer Wahnsinnigen entsprungen war. Nie zuvor in ihrem Leben war sie einer so erniedrigenden Situation ausgesetzt gewesen. Anderseits hatte sie nur ein Ziel vor Augen, und dafür war sie bereit, jeden Preis zu bezahlen. Als ihr nun die Bedeutung ihrer Zusage klar wurde, sich auf Forderungen einzulassen, die sie an diesen Furcht erregenden Mann binden würden, breitete sich eine kalte Angst in ihr aus, legte sich über sie wie der gefürchtete schottische Nebel. Sie musste dringend handeln, um sich und ihren Sohn in Sicherheit zu bringen. Flucht? Ja, es gab geheime Gänge in der Burg. Sie war gewiss nicht einer Bande von Schurken entflohen, um sich nun in die Hände eines andern, weitaus verruchteren Banditen zu begeben. Auch nach neun Jahren kannte sie noch den Weg in die Heimat.
Im Alter von vierzehn war Ebony begeistert gewesen, ein neues Leben in Schottland zu beginnen. Carlisle, die englische Stadt an der Grenze zu verlassen und in das wild romantische Bergland von Galloway mit seinen verwunschenen Seen im Norden zu ziehen, hatte die endgültige Trennung von ihrer verwitweten Mutter Lady Jean Nevillestowe zur Folge gehabt, die nur zu bereitwillig den Olivenzweig des Friedens von einem schottischen Edelmann entgegengenommen hatte, der ihr verwandtschaftliche Beziehungen zu einer angesehenen schottischen Adelsfamilie einbrachte. Auch Sir Joseph hatte keine Einwände gehabt, dass sein einziger, vor kurzem zum Ritter geschlagener Sohn Robert eine englische Aristokratin heiratete. Im Jahr 1310 war es trotz ständiger Querelen zwischen den beiden Königshäusern nicht unüblich, dass englische und schottische Adelsfamilien sich durch Heirat verbanden, da sie sich Wohlstand und Einfluss durch Landgewinn versprachen. Und Sir Joseph war es mühelos gelungen, Kritiker an seiner Entscheidung mit dem stechenden Blick seiner hellen Augen zum Schweigen zu bringen.
Ebony war also bereitwillig nach Castle Kells gereist, um sich dort auf ihre Heirat vorzubereiten. Mit siebzehn wurde sie mit Sir Robert vermählt, dem sie nach angemessener Zeit einen Sohn gebar. Ein tragisches Schicksal beendete die glückliche Ehe bereits nach drei Jahren an jenem furchtbaren Tag, als ihr Haus von englischen Plünderern überfallen und niedergebrannt wurde. Das letzte Bild ihres geliebten Ehemannes, das sich in Ebonys Gedächtnis eingeprägt hatte, war seine dunkle Silhouette vor der tosenden Feuersbrunst, als er sie mit dem Säugling im Arm und Biddie zwang, aus dem Fenster im ersten Stock zu springen. Robert konnte sich nicht mehr retten, er war in den Flammen umgekommen. Die drei Überlebenden waren in den Wald geflohen und hatten sich im dichten Unterholz verborgen.
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