Verfuehrung auf Capri
hatte sie immer gewusst. Es hatte sich also nichts geändert.
Und auch sie selbst hatte sich nicht geändert.
Mit versteinerter Miene und einem kalten Ausdruck in den Augen wandte sie den Kopf. Luc beobachtete sie, und auf seinem Gesicht spiegelte sich Mitgefühl. Automatisch hob Laura das Kinn. Zu oft schon hatte sie die mitleidigen Blicke teilnahmsvoller Männern erlebt, denen Frauen leidtaten, die so aussahen wie sie. Eigentlich hatte sie nicht gedacht, dass auch Luc zu ihnen gehörte, doch offenbar hatte sie sich getäuscht.
Andererseits wäre es nicht das erste Mal, dass ich mich in einem Mann täusche, dachte Laura, während sie erneut einen schmerzhaften Stich im Herzen verspürte.
Plötzlich wurde sie von einer unbändigen Wut erfüllt und dem übermächtigen Wunsch, Alessandro zur Rede zu stellen. Wie konnte man sich nur so verachtenswert verhalten und einen anderen Menschen nur wegen der eigenen Karriere derart ausnutzen?
Doch so plötzlich die Wut gekommen war, so schnell verpuffte sie auch wieder. Wozu sollte eine Konfrontation gut sein? Wenn sie Alessandro zur Rede stellte, würde sich dadurch nichts ändern – schon gar nicht die Wahrheit.
Als Laura Luc ansah, bekam sie ein schlechtes Gewissen. Sie hatte ihn ebenfalls ausgenutzt, und zwar auf ziemlich rücksichtslose Art und Weise – fast wie Alessandro es mit ihr getan hatte …
„Es tut mir leid“, hob sie an. „Bitte entschuldige, dass ich … dass ich …“ Luc schüttelte beschwichtigend den Kopf. „Schon gut. Ich habe Stephanies handzahmen Schreiberling erkannt.“
Fragend blickte er Laura an. „Ich nehme an, er hat die Sache falsch verstanden?“
Ihre Miene wurde wieder undurchdringlich. „Ja“, erwiderte sie nur, denn mehr gab es nicht zu sagen.
„Ich nehme an, du fliegst zurück nach England?“
Laura nickte, die Hände im Schoß ineinander verkrampft. Es war egal, dass sie außer ihrer Handtasche nichts dabei hatte, denn darin befanden sich ihr Pass, ihre Brieftasche und ihre Schlüssel. Mehr brauchte sie nicht, um nach Hause zu kommen.
Ich fahre nach Hause, dachte sie. Nach Wharton, wo sie in Sicherheit sein würde. Der einzige Zufluchtsort, an dem sie sich geborgen und vor der Welt geschützt fühlte – und den sie nun dringender brauchte als je zuvor.
Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn so sehr brauchen würde, dachte Laura, als der heftige Schmerz sie erneut durchfuhr.
Alessandro nahm den Briefbeschwerer von seinem Schreibtisch und legte ihn dann wieder zurück. Das erforderte all seine Selbstbeherrschung, denn am liebsten hätte er ihn durch die Fensterscheibe seines Büros geschleudert, in der Hoffnung, Luc Dinardi zu treffen.
Wieder einmal wurde er von rasender Wut ergriffen. Aber das andere Gefühl, das ihn erfüllte, war noch viel schlimmer.
Dio, wie hatte Laura so etwas nur tun können?
Doch die Frage war müßig – sie hatte es getan, Punkt. Sie war direkt aus seiner Wohnung in Luc Dinardis Arme geeilt und dann nach England geflogen. Daran ließen weder der bösartige Artikel in der Klatschzeitung noch das Foto irgendeinen Zweifel. Eindeutig saß Laura neben Luc in einem Taxi und küsste ihn.
Warum hatte sie das nur getan?
Auf diese Frage gibt es nur eine einzige mögliche Antwort, dachte Alessandro. Durch mich ist sie auf den Geschmack gekommen und hat Gefallen am Sex gefunden. Und offensichtlich konnte sie es gar nicht abwarten, es gleich mit dem nächsten Mann zu versuchen, der ihr über den Weg lief …
Alessandro biss die Zähne aufeinander, während er versuchte, seine heftige Wut zu unterdrücken. Nein, er würde sich beherrschen und seine Gefühle nicht herauslassen. Und ebenso wenig würde er über Laura oder über das nachdenken, was sie getan hatte.
Ungeduldig zog er einen ledergebundenen Ordner zu sich heran. Als Vorsitzender von Viale-Vincenzo hatte er schließlich genug zu tun. Er lächelte ironisch, als er an das alte Sprichwort denken musste: Wen die Götter bestrafen wollen, dem geben sie, was er sich wünscht.
Ja, er hatte sich einmal so sehr gewünscht, Vorsitzender des Unternehmens zu werden, dass er sich sogar Tomasos kleine Intrigen hatte gefallen lassen. Doch es war eine bittere Ironie des Schicksals, dass er nach Tomasos letztem Erpressungsversuch aus einem ganz anderen Grund auf dessen Forderungen eingegangen war. Er hatte Laura nicht mit nach Rom genommen und vorher auf die Schönheitsfarm gebracht, um endlich den Posten als Vorstand zu ergattern. Er hatte lediglich
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