Vergangene Narben
die ignorierten sie einfach. Und obwohl es sich gefährlich anhörte, so als würden die beiden Kontrahenten sich gegenseitig in der Luft zerreißen wollen, floss kein Blut. Zwar flogen ein paar Haarbüschel herum, und jede Menge Sabber, aber das war wirklich nicht lebensbedrohlich.
Als die Beiden einfach nicht aufhören wollten, schien es der braunen Hündin zu viel zu werden. Ein Zittern lief durch ihren Körper, und danach konnte jeder der dieses Handyvideo sah, das gleiche beobachten, wie bei dem blonden Mann an den Klippen – nur rückwärts.
Es war eine fließende Verwandlung, anmutig. Und dann stand an der Stelle der zierlichen Hündin eine nackte, echt wütende Frau.
„Jack, lass ihn endlich in Ruhe!“
Stinksauer griff sie sich eine Hand voller Erde, und warf sie nach dem größeren der beiden Hunde.
In dem Moment stoppte Tim das Video per mausklick. „Und das ist noch nicht alles. Ich habe hunderte von diesen Videos gefunden, alles Homevideos. Und schriftliche Berichte, Nachrichten über Alphas und Betas, Artikel über Sklars, Werbung, alles was du dir vorstellen kannst, und noch mehr. Es ist wie ein geheimes Netzwerk, das sich unter dem Internet verbirgt. Es gibt sogar Karten mit unbekannten Orten, die sich überall zwischen uns befinden. Da gibt es Fotos, Mitternachtsschulen. Wirklich alles was du dir vorstellen kannst. Das ist eine ganz eigene Gesellschaft! Und hier.“
Tim klickte ein wenig herum, und rief zwei Fotos auf. Das eine war ein altes Klassenfoto, auf dem Tim selber abgebildet war. Er zoomte es heran, bis das Abbild eines jungen Mädchens mit sehr langen, blonden Haaren zu sehen war, das etwas gelangweilt in die Kamera blickte. Das zweite Foto war einem Medienbericht entnommen. Auch darauf war die Blondine abgebildet, nur war sie dort älter, und trug ihre Haare kurz. Laut dem Kleingedruckten Kommentar war das Bild erst ein paar Monate alt. Doch das konnte nicht stimmen, wie Tim nur zu genau wusste. Das Klassenfoto war weit über zwanzig Jahre alt, und auf dem Bild des Zeitungsberichts wirkte die blonde Frau nur wenig älter.
Das wusste Tim nur zu genau, denn schließlich suchte er die Frau schon seit seiner Jugend. Nur deswegen war er auf dieses verschlüsselte Netzwerk gestoßen, dass so viele Geheimnisse zu haben schien. Es hatte ihn fast ein halbes Jahr gekostet, es zu knacken, und was er dabei zutage gefördert hatte, war unglaublich.
Tim rollte mit seinem Stuhl ein wenig vom Schreibtisch weg, um seinen Freund einen guten Blick auf den Bildschirm zu ermöglichen. „Na, Kevin, erkennst du sie?“
So große Augen wie sein Freund machte, tat er das wohl.
„Cheyenne.“ Er sah zu Tim. „Aber wie … wie … sie ist vor fast zwanzig Jahren verschwunden.“
„Fast dreißig“, erwiderte Tim, und erinnerte sich an seine Schulzeit mit diesem Mädchen zurück. Damals war sie nach den Sommerferien nicht mehr in die Schule zurückgekehrt. Weggelaufen, hieß es. Genau wie ihre beiden besten Freunde Diego und Lucy. Niemand hatte seit dem noch mal etwas von den dreien gehört, obwohl seine Frau Jessica Stein und Bein schwor, vor sieben Jahren gesehen zu haben, wie Cheyenne in eine Limousine eingestiegen war.
„Aber wenn das alles wahr ist … wenn das …“ Kevin suchte nach den richtigen Worten. „Was sollen wir tun?“
Tim lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Eigentlich gab es da nur zwei Möglichkeiten. Zum einen konnte er einfach vergessen, was er da gefunden hatte, und sein Leben wie gewohnt weiterleben, und zum anderen konnte er damit zu den Medien gehen, damit die Welt erfuhr, was dort verborgen zwischen ihnen lebte.
Der Gedanke durch diese Sache berühmt zu werden, als Entdecker von Menschen, die sich in ausgesprochen große Hunde verwanden konnten, ließ seinen Magen voller Vorfreude kribbeln.
Tim sah lächelnd zu seinem langjährigen Schulfreund herüber. „Ich denke die Menschen haben ein Anrecht auf das Geheimnis, das da zwischen ihnen lauert.“
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The End
Nachwort
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So, nun ist es vollbracht, eine Ära geht zu Ende. Ich hatte viel Spaß beim Schreiben dieser Geschichte. Es gab Tage, an denen ich an nichts anderes denken konnte, Momente die mich zum verzweifeln gebracht haben, weil die Geschichte einfach nicht so wollte sie ich, oder es den Protagonisten ganz egal war was ich vorhatte, und einfach ihren eigenen Kopf durchgesetzt haben.
Es gab viele Augenblicke, in denen ich über meine eigenen Worte lachen musste, oder auch die
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