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Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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auf sie zu. Thorne spürte, wie die Erde bebte.
Das Brüllen war so laut, daß es in den Ohren schmerzte. Der Tyrannosaurier war
schon beinahe über ihnen, sein großer Kopf schoß nach vorne, sein Rachen war
weit aufgerissen.
    Thorne stieß
sich mit den Füßen ab, schob das Rad vorwärts. Plötzlich griff das Hinterrad,
wirbelte Schlamm auf, und das Motorrad schoß den Pfad entlang. Er beschleunigte.
Das Motorrad schlingerte bedrohlich.
    Levine hinter
ihm schrie irgend etwas, aber Thorne hörte nicht auf ihn. Sein Herz hämmerte.
Als das Motorrad über eine Furche holperte, verloren sie fast das Gleichgewicht,
aber sie fanden es wieder und beschleunigten erneut. Thorne wagte es nicht,
sich umzudrehen. Er roch den Gestank verfaulten Fleisches, hörte den keuchenden
Atem des sie verfolgenden Tieres …
    »Doc! Machen Sie
mal halblang!«
    Thorne achtete
nicht auf ihn. Das Motorrad raste den Hügel hoch. Äste peitschten sie, Schlamm
spritzte ihnen auf Gesicht und Brust. Er rutschte in eine Furche, steuerte wieder
heraus. Das Brüllen hinter ihnen schien ein wenig schwächer zu klingen, aber …
    »Doc!« schrie
Levine ihm ins Ohr. »Was soll denn das, wollen Sie uns umbringen? Doc! Er ist weg!«
    Thorne kam zu
einem flachen Stück des Pfads und riskierte einen Blick über die Schulter. Levine
hatte recht. Sie waren allein. Von dem verfolgenden Tyrannosaurier war nichts
mehr zu sehen, doch er hörte ihn noch brüllen, irgendwo in der Ferne.
    Er bremste.
    »Also wirklich«,
sagte Levine kopfschüttelnd. Sein Gesicht war aschfahl vor Angst. »Sie sind ein
furchtbarer Fahrer, wissen Sie das? Sie sollten Fahrstunden nehmen. Sie hätten
uns fast umgebracht.«
    »Er hat uns
angegriffen«, erwiderte Thorne wütend. Eigentlich war er an Levines bissige
Bemerkungen gewöhnt, aber im Augenblick –
    »Das ist doch
absurd«, sagte Levine. »Er hat uns überhaupt nicht angegriffen.«
    »Hat aber
verdammt noch mal so ausgesehen«, sagte Thorne.
    »Nein, nein,
nein«, sagte Levine. »Er hat uns nicht angegriffen. Der Rex hat sein
Nest verteidigt. Das ist ein Riesenunterschied.«
    »Ich hab da
keinen Unterschied gemerkt«, sagte Thorne. Er hielt an und warf Levine einen
wütenden Blick zu.
    »Wissen Sie«,
sagte Levine, »wenn der Rex Sie hätte angreifen wollen, wären Sie jetzt schon
tot. Aber er ist fast sofort stehengeblieben.«
    »Wirklich?«
fragte Thorne.
    »Daran gibt’s
keinen Zweifel«, entgegnete Levine auf seine rechthaberische Art. »Der Rex
hatte nur vor, uns zu verscheuchen, sein Territorium zu verteidigen. Er würde
das Nest nie unbewacht lassen, außer wir hätten etwas mitgenommen oder das Nest
zerstört. Ich bin mir sicher, daß er jetzt schon wieder bei seinem Weibchen
ist, das Nest bewacht und sich nicht mehr von der Stelle rührt.«
    »Na, dann hatten
wir wohl Glück, daß er ein guter Vater ist«, sagte Thorne und drehte am Gasgriff.
    »Natürlich ist
er ein guter Vater«, fuhr Levine fort. »Das merkt doch jeder Trottel. Haben Sie
nicht gesehen, wie dünn er ist? Er hat seine eigene Ernährung vernachlässigt, um
seinen Nachwuchs zu füttern. Ein Tyrannosaurus rex ist ein komplexes Tier mit
einem komplexen Jagdverhalten. Und auch einem komplexen Verhalten bei der
Aufzucht seines Nachwuchses. Es würde mich nicht überraschen, wenn ausgewachsene
Tyrannosaurier über Monate hinweg ausschließlich als Eltern fungieren. Vielleicht
bringt er seinem Nachwuchs in dieser Zeit sogar das Jagen bei, indem er zum
Beispiel kleine verwundete Tiere zum Nest bringt und seine Jungen sie töten
läßt. Solche Sachen. Es wird interessant sein herauszufinden, was er alles
macht. Warum warten wir hier?«
    In Thornes
Kopfhörer knisterte es. Malcolm sagte: »Er würde nie drauf kommen, Ihnen für
die Lebensrettung zu danken.«
    Thorne grunzte.
»Offensichtlich nicht«, sagte er.
    »Mit wem reden
Sie?« fragte Levine. »Mit Malcolm? Ist er hier?«
    »Ja«, sagte
Thorne.
    »Er ist nicht
meiner Meinung, oder?« fragte Levine.
    »Nicht ganz.«
Thorne schüttelte den Kopf.
    »Hören Sie,
Doc«, sagte Levine. »Es tut mir leid, wenn Sie es mit der Angst bekommen haben.
Aber es gab keinen Grund dafür. In Wirklichkeit waren wir nie in Gefahr – außer
wegen Ihres Fahrstils.«
    »Gut. Na gut.«
Thornes Herz hämmerte noch immer. Er atmete tief durch, bog links ab und fuhr
einen breiteren Pfad hinunter, der zu ihrem Lager führte.
    Von hinten hörte
er Levine sagen: »Ich bin sehr froh, Sie zu sehen, Doc. Das bin ich

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