Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vergessene Welt

Vergessene Welt

Titel: Vergessene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
hohen, kreisrunden
Wall aus getrocknetem Schlamm. Jedesmal, wenn sie ihre Köpfe in die Vertiefung
senkten, hatten sie Stücke rötlichen Fleisches im Maul. Und diese Bewegungen wurden
mit einem hektischen schrillen Quieken begrüßt, das sofort danach verstummte.
Wenn die Tiere die Köpfe dann wieder hoben, war das Fleisch verschwunden.
    Das war das
Nest, keine Frage. Und Malcolm hatte recht gehabt: Der eine Tyrannosaurier war
deutlich größer als der andere.
    Augenblicke
später setzte das Quieken wieder ein. Für Thorne klang es wie von jungen
Vögeln. Die Erwachsenen senkten weiter die Köpfe und fütterten die bislang
unsichtbar gebliebenen Babys. Plötzlich landete ein Fleischfetzen auf dem
Schlammwall, und Thorne sah, wie ein Tyrannosaurierjunges hinter dem Wall auftauchte
und über den Rand zu klettern begann. Es war etwa so groß wie ein Truthahn und
hatte einen großen Kopf und sehr große Augen. Sein Körper war mit rotem Flaum bedeckt,
so daß es ganz zerzaust aussah. Ein Ring weißlicher Daunen lief um den Hals.
Das Junge quiekte ein paarmal und kroch dabei unbeholfen, nur seine schwachen
Vorderläufe benutzend, auf das Fleisch zu. Als es das Stück schließlich erreicht
hatte, stieß es den Kopf hinein und biß entschlossen mit kleinen scharfen
Zähnen zu.
    Mitten im
Fressen kreischte es plötzlich erschrocken auf und schlitterte die Außenwand
des Walls hinunter. Das Muttertier senkte sofort den Kopf, bremste den Fall des
Jungen und schob es behutsam wieder ins Nest zurück. Thorne war beeindruckt von
der Zartheit der Bewegungen, der Fürsorglichkeit, mit der die Mutter sich um
ihr Junges kümmerte. Der Vater riß unterdessen weiter kleine Fleischstücke ab.
Beide Tiere gaben dabei die ganze Zeit eine Art Schnurren von sich, wie um die
Jungen zu beruhigen.
    In die
Beobachtung vertieft, veränderte Thorne seine Haltung und trat dabei auf einen
Ast, der mit lautem Knacken zerbrach.
    Sofort rissen
beide Erwachsene die Köpfe hoch.
    Thorne erstarrte
und hielt den Atem an.
    Die
Tyrannosaurier suchten die Umgebung des Nests in jeder Richtung mit den Augen
ab. Ihre Körper waren angespannt, die Köpfe wachsam. Die Augen zuckten von
einer Seite zur anderen, begleitet von kleinen, ruckartigen Bewegungen des
Kopfes. Kurz darauf schienen sie sich wieder zu entspannen. Sie wippten mit den
Köpfen und rieben ihre Schnauzen aneinander. Es schien eine Art ritueller Bewegung
zu sein, fast ein Tanz. Erst danach setzten sie die Fütterung fort.
    Nachdem sie sich
endgültig beruhigt hatten, schlich sich Thorne davon und kehrte leise zum
Motorrad zurück. Im Kopfhörer flüsterte Arby: »Dr. Thorne, ich kann Sie nicht sehen.«
    Thorne
antwortete nicht. Er klopfte nur mit dem Finger aufs Mikro, zum Zeichen, daß er
ihn verstanden hatte.
    Arby flüsterte:
»Ich glaube, ich weiß, wo Dr. Levine ist. Links von Ihnen.«
    Thorne klopfte
noch einmal aufs Mikro und drehte sich in die angegebene Richtung.
    Zu seiner Linken
entdeckte er zwischen Farnen ein verrostetes Fahrrad. »Eigentum InGen Corp.«
stand darauf. Es lehnte an einem Baum.
     
    Nicht schlecht, dachte Arby, der im
Caravan saß und die Bilder der verschiedenen Kameras betrachtete, die er sich
auf den Bildschirm geholt hatte. Er hatte den Monitor geviertelt; das war ein
guter Kompromiß zwischen vielen Bildern und Bildgrößen, die etwas erkennen
ließen.
    Eine der Kameras
sah von oben auf die beiden Tyrannosaurier in der abgeschiedenen Lichtung
hinunter. Es war mitten am Vormittag, die Sonne schien hell auf das schlammverkrustete,
zertrampelte Gras der Lichtung. In der Mitte sah Arby ein rundes Schlammnest
mit steilen Wänden. In dem Nest lagen vier weiße, gesprenkelte Eier, etwa in
der Größe von Fußbällen. Außerdem waren zerbrochene Eierschalen zu erkennen und
zwei Tyrannosaurierbabys, die aussahen wie federlose, piepsende Vögel. Sie
saßen im Nest und streckten die weit aufgerissenen Mäuler in die Höhe, wie
junge Vögel, die auf die Fütterung warteten.
    Kelly, die Arby
über die Schulter sah, sagte: »Schau doch, wie süß sie sind.« Und fügte dann
hinzu: »Ich wäre viel lieber da draußen.«
    Arby antwortete
nicht. Er war sich ganz und gar nicht sicher, ob er näher dran sein wollte. Die
Erwachsenen gingen die Sache mit den Dinosauriern ja ziemlich gelassen an, aber
auf ihn wirkte das zutiefst verstörend, ohne daß er eigentlich genau wußte,
warum. Für Arby war es immer sehr beruhigend, etwas organisieren und Ordnung in
sein Leben bringen zu

Weitere Kostenlose Bücher