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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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    1. Thursen
    « WANN wachst du endlich auf?» Ich streiche Luisa wieder und wieder mit dem Finger durch den weichen Pelz hinter dem Ohr. Doch sie blinzelt nicht einmal. «Verdammt, Haddrice, sie muss doch endlich aufwachen!»
    Die Werwölfin betrachtet die schlafende Gestalt vor mir mit zusammengezogenen Brauen. «Vielleicht war sie noch schwerer verletzt, als wir dachten? Immerhin ist sie nicht gestorben. Und ein paarmal war sie doch wach in den letzten Tagen.»
    «Ja, sie lebt noch.» Erschöpft lege ich den Kopf zurück an den Baumstamm hinter mir und schließe einen Atemzug lang die Augen. «Ich könnte die umbringen, die ihr das angetan haben.»
    Haddrice zuckt die Achseln. «Norrock ist zuerst dran. Seine Sjöll wurde von diesem Haufen Arschlöcher gequält, da kanntest du Luisa noch gar nicht. Wenn du Nicks Bande willst, stell dich hinten an, Thursen.»
    Ich lasse das letzte abgekochte Wasser aus dem Topf in eine Schüssel plätschern. «Ich meine das mit dem Töten nicht wörtlich.»
    Wenn sie so hinterhältig lächelt, sieht sie in ihrer schwarzen Kleidung und mit den kurzen Haaren noch mehr wie eine Kriegerelfe aus. «Norrock schon. Sjöll war seine große Liebe, und Nicks Jungs haben sie nur zum Spaß gefoltert und erniedrigt. Das mit dem Töten meint unser lieber Leitwolf sehr wohl wörtlich, glaub mir. Und unsere Chancen dafür stehen nicht schlecht. Norrock hat gestern noch ein neues Geschwisterpaar ins Rudel aufgenommen. Zwei echte Kämpfer. Wir werden immer stärker.» Haddrice tritt mit der Stiefelspitze gegen den Plastikkanister, dass die Eisbrocken darin gegen die Wände klappern. «Fast leer. Ich sehe nach, ob die anderen Werwölfe im Lager Wasser für euch haben», sagt sie, verwandelt sich in ihre schwarze Wolfsgestalt und springt zwischen den Bäumen davon. Ein paar Atemzüge später hat sie der Wald mit seinem fahlen Boden und dem Wintergestrüpp verschluckt. Nichts mehr ist von ihr zu sehen, nur kahle Stämme und Stille.
    Nein, nicht überall Stille. Nicht ganz. Das Feuer knistert. Und Luisa atmet. Meine Luisa. Ausgestreckt liegt sie auf der alten Decke, die wir für sie auf dem Waldboden ausgebreitet haben. Sie schläft so tief, dass man denken könnte, sie wäre bewusstlos. Doch das ist sie nicht. Ihre rechte Vorderpfote ragt über den Deckenrand hinaus, zuckt und lässt das angetaute feuchte Laub unter ihren Krallen rascheln wie alte, nasse Plastiktüten. Ich wette, im Traum rennt sie gerade. Was mag es sein, Jagd oder Flucht? Ob sie Albträume von dem Überfall hat? Solange sie Wolf ist, kann ich nicht mit ihr reden, sie nicht beruhigen. Ich kann ihr nicht mal sagen, dass sie in Sicherheit ist, jedenfalls für den Moment. Die Schüssel mit dem warmen Wasser stelle ich vorsichtig ab, schiebe die Decke zur Seite und hocke mich neben sie. Ich rieche ihre Wunden. Ich rieche sie genauso selbstverständlich wie die Rinde des Baumes, den Rauch des Lagerfeuers und die Wildschweine irgendwo weit entfernt. Wenn man einmal Werwolf war, so wie ich, dann bleibt die Nase überempfindlich, das kann man nicht einfach abschalten.
    «Shorou?», sage ich ihren Wolfsnamen. Sie dreht sich zu mir, stöhnt leise, doch ihre Augen öffnet sie immer noch nicht. Verdammtes Warten! Wenigstens geht es ihr etwas besser als noch vor ein paar Tagen. Ihr Atem ist jetzt tief und gleichmäßig. Das schmerzverzerrte Hecheln, das leise Jaulen am Anfang war die Hölle. Endlich heilen die Rippen, und Blut hustet sie auch nicht mehr. Nur ihr Fell ist immer noch struppig, blutverklebt und voller Löcher, dort, wo die Tritte und Schläge von Nick und seiner Bande ihre Haut haben aufplatzen lassen.
    Nick! Ich könnte kotzen, wenn ich nur seinen Namen höre. Nein, ich würde ihn vielleicht nicht töten, aber – egal. Ich kann ja eh nicht losgehen und mit ihm tun, was ich gerne würde, nicht jetzt. Ich kann überhaupt nirgendwo hingehen, denn ich kann Luisa nicht allein lassen.
    Noch einmal versuche ich es. «Luisa, komm zu mir zurück. Du musst endlich Mensch werden!»
    Sie sieht mich an, nichts als Fragen in ihren Wolfsaugen, und ich grabe meinen Blick in ihren. Verwandle dich! Wenn ich sie beschwören könnte, ich würde es tun. Doch die Macht habe ich nicht, nicht mehr. Nicht seit ich kein Werwolf mehr bin. Mir bleiben nur Worte, die sie als Wölfin nicht versteht. Und so spreche ich einfach weiter. «Komm zu mir! Bitte!»
    Ich ziehe die Wasserschale und das Päckchen mit Tupfer und Verbandszeug zu mir

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