Vergiftet
planen und ausführen, während Familie Brenden einen Sonntagsausflug macht.
Henning schüttelt den Kopf. Dafür ist die Zeit einfach zu knapp.
»Darüber weiß nichts«, sagt Olsvik. »Davon habe ich nichts gehört.«
Henning nickt wortlos. Aber die Gedanken stehen nicht still. Eine Möglichkeit gibt es noch, denkt er, die Olsvik auch schon gestreift hat, nämlich dass Pulli deswegen schon vorher mit jemand anderem Kontakt aufgenommen hat.
Ich muss Einblick in die Protokolldaten haben, denkt Henning bei sich.
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Normalerweise dauert es fünf bis sechs Wochen, bis man ein Ergebnis bekommt, wenn man Fingerabdrücke an das Kriminalamt schickt. Doch nachdem sie Thorleif Brendens Auto in der Kirkegaten lokalisiert haben und es ihnen tatsächlich gelungen ist, einen Fingerabdruck auf der Armlehne des Beifahrersitzes zu sichern, kann Bjarne Brogeland die Kriminaltechnikerin Ann-Mari Sara dazu bringen, ihre Chefs zu überzeugen, diesen Fingerabdruck vordringlich zu behandeln und direkt durch das AFIS -System zu jagen. So dauert es dieses Mal nur zehn, zwölf Sekunden, bis sie einen Treffer haben. Auch die manuelle Kontrolle des Ergebnisses ergibt zweifellos, dass der Abdruck von einem Mann namens Ørjan Mjønes stammt.
Brogeland kennt Mjønes aus seiner Zeit als Fahnder. Sein Name stand auch auf der Liste, die Pia Nøkleby ihnen nach Elisabeth Haalands Beschreibung von Furio – dem Mann, der sie »interviewt« hatte – gegeben hatte. Eigentlich unsinnig, denkt Brogeland, dass nur so wenige Mitarbeiter im Präsidium Zugang zum Programm Indicia haben, schließlich sind darin alle Informationen, die sie über gewisse Personen haben – offiziell und inoffiziell –, zusammengetragen. Sind entsprechende Informationen über eine Person gespeichert, erhält man nach Eingabe einer Personenbeschreibung im Laufe weniger Sekunden die Namen – und Taten – der betreffenden Personen. Das reicht in manchen Fällen bis zur Schuhgröße des Betreffenden. Alle Ermittlungsergebnisse, unter anderem die des Projekts »Grenzenlos«, die auch ausländische Straftäter erfassen, sind in Indicia gespeichert.
Brogeland studiert die Fakten, die Pia Nøkleby über Mjønes ausgedruckt hat. Seine kriminelle Karriere begann im frühen Teenageralter, und er hat seitdem zwei Mal gesessen. Beim ersten Mal ist er wegen eines Raubs bei einem Juwelier in Majorstua verurteilt worden, bei dem ein Auto als Rammbock benutzt wurde, beim zweiten Mal lediglich wegen unerlaubten Waffenbesitzes. Nachdem er bewaffnet in einer Bar aufgegriffen worden ist, fand die Polizei bei der Durchsuchung seiner Wohnung eine Reihe anderer Waffen, darunter Sprengstoff und Einbruchwerkzeug. Als Mittzwanziger galt er als Kopf mehrerer größerer und kleinerer Raubüberfälle, doch seit Ende der Neunzigerjahre und mit Beginn des neuen Jahrtausends wurde es deutlich stiller um ihn – wobei der Verdacht bestand, dass Mjønes sich einem Gewerbe zuwandte, das diskreter und wesentlich lukrativer war: als »Problemlöser« auf breiter Linie, ob es nun darum ging, starke, überzeugend wirkende Männer zu vermitteln oder gewisse Personen direkt zu liquidieren. Doch trotz dieser Gerüchte und Vermutungen ist es ihnen nie gelungen, Ørjan Mjønes konkret etwas anzulasten.
Tags zuvor hat Brogeland einen seiner früheren Kollegen, Njål Vidar Hammerstad, im Dezernat org.krim angerufen und ihn gefragt, ob sie in den letzten Jahren etwas mit Ørjan Mjønes zu tun gehabt hätten. Hammerstad teilte mit, dass sie Mjønes nicht direkt unter Kontrolle hätten, dass sein Gesicht aber immer mal wieder aufgefallen sei. So hat Mjønes sich unter anderem mit einigen Vertretern des kriminellen Albanermilieus angefreundet. Ob er allerdings etwas mit Tore Pulli zu tun hatte, konnte Hammerstad nicht sagen.
In einer idealen Welt hätten die Fahnder Mjønes und seine Kumpane rund um die Uhr beschattet, denkt Brogeland. Aber das ist finanziell natürlich nicht tragbar. Die Osloer Polizei investiert jährlich Milliarden von Kronen in die Bekämpfung organisierter Kriminalität, aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Norwegen ist ein attraktives Land für kriminelle Banden, weil das Land so reich ist und weil es viel zu wenig Polizisten gibt.
Anita fragt ihn manchmal, ob er sein Leben als Fahnder vermisst. Er verneint das, aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Natürlich vermisst er es. Die Spannung und die Action, auch wenn oft Monate vergehen, bis wirklich wieder etwas geschieht. Er
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