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Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
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Sterben
    Ich bin Rola, die stirbt. In meinem eigenen Blut sitze ich auf dem Boden. Vier Löcher sind in meinem Körper. Die brennen. Das Loch in meiner Hand brennt so sehr, dass die Hand pocht und pocht. Sie steckt in meinem Boxhandschuh. Gerade noch wollte ich um die Weltmeisterschaft boxen, jetzt kämpfe ich ums Überleben. Vor mir sitzt mein Vater, er hält die Pistole in der Hand, mit der er auf mich geschossen hat. Die schwarze Pistole. Ich flehe. Nicht einmal um mein Leben. Nur, dass er mir diesen verdammten Handschuh auszieht. Nur das. Mein Vater hat auf mich geschossen, aber jetzt hilft er mir. Dann sitze ich wieder da in meinem Blut. Wie kann jemand so etwas tun? Ein Vater, der auf seine eigene Tochter schießt. Das ist kein Mensch mehr. Das ist ein Unmensch.
    Ich bin Rola El-Halabi aus Ulm. Seit dem 1. April 2011 kennt mich alle Welt als die Boxweltmeisterin, der von ihrem eigenen Stiefvater in die Hand, das Knie und beide Füße geschossen wurde. Weil mein Stiefvater meinen Freund nicht akzeptieren wollte und ich ihn deshalb als Manager entlassen hatte, so stand es in der Presse.
    Aber das alles ist nicht ganz richtig. Es war auch nicht ganz so einfach. Nicht mein Verlobter Kosta ist schuld an dem, was mir passiert ist. Mein Vater ist es. Er allein. Und ja, es ist mein Vater, nicht mein Stiefvater. Er hat meine Schwester und mich adoptiert, er war uns immer ein Vater, unser Papa. Er war auch mein Manager, hat mich zum Boxen gebracht, bis zur Weltmeisterschaft. Doch irgendwo auf diesem Weg ist etwas schiefgegangen. Bis wir uns dann in dieser Kabine in Berlin-Karlshorst gegenübersitzen, er mit der Pistole in der Hand, ich mit vier Löchern im Körper, fassungslos.
    Mein Privatleben kennt heute die halbe Welt. Jeder konnte das Bild in der Zeitung sehen, wie ich in der Intensivstation liege, halb nackt und vollgepumpt mit Schmerzmitteln. Alle haben diskutiert über meinen Vater, meinen Freund, meine Karriere, mich. Jeder glaubt, ohnehin alles zu wissen. Es wäre falsch von mir, mich jetzt abzuschotten. Ich werde weiterhin sagen, was ich denke, und zeigen, wer ich bin, frei Schnauze und immer echt. Warum auch sollte ich jetzt damit anfangen, an einem Image von mir zu basteln? Ich bin so, wie ich bin, ich bin mein Image, und mein Image ist Rola. Perfekt gestylt sein, immer das Richtige sagen, eine Rolle spielen – das liegt mir nicht. Wir sind doch alle nur Menschen. Ruhm? Brauche ich nicht. Mein Sport bringt ihn mit sich, daher muss ich auch mit ihm umgehen. Aber wichtig ist er nicht für mich. Ich bin nicht gerne im Mittelpunkt. Doch wenn ich jetzt schon einmal auf der öffentlichen Bühne stehe, kann ich auch einfach erzählen, was mir passiert ist. Die ganze Wahrheit – die vielleicht anderen Mut macht, sich durchzukämpfen. Wie ich.
    Denn obwohl mein Vater vier Mal auf mich geschossen hat, kann ich heute sagen: Es geht mir gut. Wenn ich jetzt erzähle, wie ich auf dem Boden dieser Kabine in meinem Blut sitze, ist das schon fast wie ein Film, der da vor mir abläuft. Als ob ich von außen dabei zusehe, wie alles passiert. Als wäre mein Leben ein Film. Es macht mich nicht mehr kaputt, wenn ich davon erzähle. Deshalb dürfen nach der Polizei, meinen Liebsten und meinen Freunden auch alle anderen wissen, wie es dazu kommen konnte. Und warum ich heute auch sagen kann: Ich bin froh, dass mir das passiert ist.
    Ich brauche mich nicht zu verstecken. Ich kann und werde mich nicht verstellen. Ich werde alles von Anfang an erzählen. Ich stehe zu dem, was ich bin und was mir passiert ist. Ich bin Rola El-Halabi, und das ist meine Geschichte.

Kindheit in Ulm
    Normalität? Kenne ich nicht. Schon seit meiner Geburt hat es in meinem Leben immer nur Extreme gegeben. Eine Kindheit hatte ich eigentlich nicht. Zumindest keine, wie man sie sich vorstellt. Ich bin nie wirklich Kind gewesen, durfte es nie sein. Aber ich sage auch ganz bewusst nicht, dass ich eine schlechte Kindheit gehabt hätte. Das stimmt nämlich nicht.
    An meine alte Heimat, den Libanon, habe ich keine Kindheitserinnerung mehr. Denn meine Eltern sind nach Deutschland gegangen, als ich ein paar Monate alt war. Das war 1986. Damals war Bürgerkrieg im Libanon. Soldaten der Milizen patrouillierten durch Beirut, meine Geburtsstadt. Sie lag in Schutt und Asche, als ich geboren wurde. Meine Eltern waren den Krieg leid und sind mit mir nach Deutschland geflüchtet, haben sich in Ulm niedergelassen.
    Meine Mutter wurde wieder schwanger, aber die Ehe meiner

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