Vergiftet
Darin hat er Mjønes und alles, was in den Tagen vor Tores Tod passiert ist, sehr detailliert beschrieben. Das und das Froschgift werden vor Gericht genügend Gewicht haben.«
Vielleicht gibt es noch zwei weitere Gründe für Mjønes’ Schweigen, denkt Henning. Er weiß, dass das Geld, das er für den Mord an Pulli bekommen hat, irgendwo liegt und auf ihn wartet, bis er seine Strafe verbüßt hat. Aber vielleicht hat er auch Angst, dass ihn das gleiche Schicksal erwartet wie Tore Pulli, obgleich nicht sicher ist, dass Mjønes die Identität seines Auftraggebers kennt. Die meisten Aufträge dieser Art werden über fiktive Namen und Codes abgewickelt.
Der Duft eines Grills in der Nähe weht ihnen entgegen. Sie sind jetzt auf einem unbefestigten Weg. Die Sonne glitzert auf dem Wasser. Weit draußen durchschneidet ein rotes Kajak die dunkelblaue Seeoberfläche. Sie setzen sich auf eine Bank mit Blick über das Wasser.
»Ich würde Sie gern etwas fragen«, setzt er an. »Sie haben Tore ja mehr oder weniger einmal pro Woche im Gefängnis besucht. Gab es in dieser Zeit Phasen, wie soll ich sagen, in denen er angespannter oder nervöser war als sonst?«
Sie sieht ihn von der Seite an. »Klar, er hatte Stimmungsschwankungen, aber mir ist nichts Spezielles aufgefallen. Warum fragen Sie?«
»Weil …«
Henning senkt den Blick und denkt an Pia Nøkleby, die er kurz nach Gunhild Dokkens Festnahme gefragt hat, ob die Polizei nun um die Herausgabe der Liste von Pullis Telefonaten aus dem Gefängnis gebeten hat. Sie hat verneint und gesagt, das habe keine Priorität.
Kurz darauf ist es dafür dann zu spät gewesen, das hat ihm Knut Olav Nordbø aus dem Osloer Gefängnis telefonisch bestätigt.
»Ich glaube, dass Tore ermordet wurde, weil er wusste, wer hinter dem Brand in meiner Wohnung steckt«, sagt Henning. »Ich glaube zwar nicht, dass der Kontakt zwischen Tore und mir die eigentliche Ursache war, wohl aber, dass er zu einem früheren Zeitpunkt schon mal mit jemandem darüber gesprochen hat.«
»Warum sollte Tore das getan haben?«
»Ich weiß es nicht. Um Hilfe zu bekommen?«
»Wie hätte ihm das helfen sollen?«
»Vielleicht konnte er sein Wissen, wer das Feuer in meiner Wohnung gelegt hat, als Druckmittel gegen den Täter oder denjenigen, in dessen Auftrag er arbeitete, nutzen.«
»Tore hätte niemals jemanden bedroht oder erpresst«, sagt Veronica Nansen und schüttelt den Kopf.
»Sind Sie sich da sicher, Veronica? Das Gefängnis ist die Hölle, besonders wenn Sie unschuldig sitzen. Ich kann mir gut vorstellen, dass Tore verzweifelt war. Und genauso gut kann ich mir vorstellen, dass derjenige, der für den Tod meines Sohnes verantwortlich ist, kein Bedürfnis hatte, dass die alten Geschichten wieder ausgegraben würden.«
Nansen sieht ihn an, dann senkt sie den Kopf. »Das werden wir wohl niemals erfahren«, sagt sie.
»Nein.« Henning seufzt. »Das werden wir wohl nicht.«
118
Werbebroschüren von Supermärkten, Angebote für Eigentumswohnungen ganz in der Nähe, Möbelkataloge – ein ganzer Papierberg quillt Henning aus dem Postkasten entgegen, als er ihn öffnet. Er bückt sich, hebt den Stapel auf und blättert mit mäßigem Interesse durch die Post. Als er auf der Rückseite eines A4-Umschlags Erling Ophus’ Namen und seine Adresse in Leirsund liest, hält er inne.
Der Brandbericht, schießt es ihm durch den Kopf.
Er läuft eilig die Treppe hoch und schließt seine nagelneue Wohnungstür auf. Auf dem Sofa reißt er den Umschlag auf und zieht zwei gefaltete Blätter heraus.
TATORT- UND UNTERSUCHUNGSPROTOKOLL
Einsatzleiter : KK Tom Arne Sveen, Sektion E, Oslo PSt.
Auftrag : Tatortuntersuchung i.V.m. Brand; Markveien 23, Oslo; ca. 20.35 Uhr
Anfrage entgegengenommen: Dienstag 12.09.07, 08.10 Uhr
Untersuchung : Die Brandermittlung wurde durchgeführt von Aufsichtsingenieur Rune Olsen, Stadtwerke, Feuerwehrchef Nicolai Juve, Feuerwehr Oslo, und Protokollant 12.09., 10.00 Uhr.
Zusammenfassung
Auf Grundlage der Tatortuntersuchung und weiterer Anhaltspunkte stelle ich fest, dass
der Brandherd im Flur hinter der Wohnungstür der Wohnung von HENNING JUUL, 3. Etage, liegt, aber
die Brandursache vorläufig noch unbekannt ist.
Brandstelle
Die Wohneinheit Markveien 23 umfasst dreizehn Wohnungen und eine Kelleretage. Zugang zur Wohnung in der 3. Etage durch die Wohnungstür im Treppenhaus.
Informationen
Die Wohnungstür in der 3. Etage sowie die Haustür waren offen.
Untersuchung der
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