Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
es nicht. Martin hatte sich schon immer hinter Förmlichkeiten verschanzt, besonders in emotional aufwühlenden Situationen. Hatte er mir damals etwa keine Tabellenkalkulation über die gesparten Kosten präsentiert und mir so klargemacht, dass ich zu ihm ziehen müsste? Nicht, dass er kein Romantiker wäre. In sein Handy hatte er süße kleine Erinnerungen eingespeichert, um mir an meinen Geburtstagen und anlässlich unserer Jubiläen Blumen zu kaufen. Aber seine Gefühle für mich drückte er meistens auf andere Art aus. Zum Beispiel hatte er sich um die Finanzen und den Ölwechsel beim Auto gekümmert. Ich brauchte keine leidenschaftlichen Beteuerungen. Mit der Zeit erlischt die Leidenschaft sowieso. Die vier Ehen meiner Mutter waren mir da Beweis genug. Auf die Stabilität kam es an.
»Welche Spur, Rory?«, kläffte Tante Lyd und stieß mich mit dem Ellbogen an, um über den dröhnenden Motor hinweg meine Aufmerksamkeit zu erregen.
»Was? Oh – die linke.«
Ohne den Verkehr zu beachten, riss sie das Lenkrad herum und ignorierte die Kakofonie wütender Hupen hinter uns. »Ausgerechnet North Sheen!«, murrte sie. »Welcher vernünftige Mensch will denn dort wohnen?«
Natürlich hegte sie kein spezielles Vorurteil gegen North Sheen, sie war nur sauer, weil sie das Auto fahren musste, das normalerweise vor ihrem Haus unbewegt und friedlich dahinrostete. Tante Lyd bevorzugte Taxis – aus Bequemlichkeit, behauptete sie. Aber ich vermutete eher, Taxifahren weckte in ihr Erinnerungen an ihren Starruhm als Destiny Devereux in der Achtziger-Jahre-Serie Diese Devereux Girls . Damals hatten die meisten Taxifahrer kein Geld von ihr genommen. Allein ihr freiwilliger Vorschlag, den fahrbaren Müllcontainer zu benutzen, bewies mir, wie ernst sie meinen Bruch mit Martin nahm.
»Jetzt bist du unfair«, erwiderte ich, fest entschlossen, mich nicht von ihr einschüchtern zu lassen. »North Sheen ist sehr schön, Tante Lyd. Du hast uns ja nie dort besucht. Der Fluss, die Kew Gardens und …«
»Um zu wissen, was ich davon halten soll, muss ich’s nicht sehen. Typische Vorstadt. Spießig. In London, aber ohne U-Bahn. Puh, weder Fisch noch Fleisch! Welchen Sinn hat es, in dieser glamourösen Stadt zu leben, wenn …«, Tante Lyd schwenkte ihre Zigarette dramatisch deutend zum Seitenfenster, was die beabsichtigte Wirkung verfehlte, weil wir gerade das wenig glamouröse Southside-Einkaufszentrum passierten, »… wenn man keinen Vorteil daraus zieht? Noch dazu ein Neubau!« Höhnisch kräuselte sie die Lippen.
»Sei nicht so ein Snob, Tante Lyd«, protestierte ich entrüstet. Unser neues, minimalistisch eingerichtetes, wärmeisoliertes Haus mit den doppelt verglasten Fenstern war zwar nicht das romantische baufällige Cottage meiner unpraktischen Träume gewesen, aber unser Heim . Martins und mein Zuhause. Die Bewohner machten aus einem Haus ein Heim . Wahrscheinlich hatte Tante Lyd das vergessen, weil sie ihres schon so lange kommerziell nutzte. »Martin hat keine Zeit für die Instandhaltung eines alten Gemäuers, weil er zu beschäftigt ist. Genauso wie ich.«
In Wirklichkeit hing sein Job nicht damit zusammen. Martin teilte meine Meinung nicht, architektonische Manierismen würden einem Bauwerk Charakter verleihen. Wo ich eine reizvolle Patina erblickte, sah er dringenden Bedarf für eine Flasche Cillit Bang. Wenn ich antiquierte Schiebefenster bewunderte, beklagte er die Zugluft und hohe Heizkosten. Bei unserer Besichtigung eines viktorianischen Reihenhauses in Putney hatte er Fenster und ratternde Rollläden abgeklopft und missbilligend durch die Zähne gepfiffen. Da hatte ich gemerkt, dass er in einem alten Haus niemals glücklich sein würde. Vielleicht hätte ich mich bemühen sollen, ihn umzustimmen. Aber wäre ich damit erfolgreich gewesen, hätte er mir später jedes Leck im Dach und jedes Installationsproblem persönlich übel genommen. Das schien es mir nicht wert zu sein.
Der fahrbare Müllcontainer holperte um die Ecke in den Marchmont Estate. Ich weiß, das klingt nach Fotos in Country House , nach einem Anwesen mit Stallungen und Außengebäuden, vielleicht sogar mit einem Tennisplatz. Aber es war nur eine gewundene Sackgasse zwischen frei stehenden Drei-Zimmer-Häusern, die einander durch PVC -Fenster anstarrten. Meine Erfahrung mit Huftieren beschränkte sich auf einen kurzen Eselsritt im zarten Alter von vier Jahren in Salcombe Sands. Die fehlenden Ställe hatte ich also nie vermisst.
»Das da«, sagte
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