Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
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In den sieben Jahren meines Jobs beim Magazin Country House habe ich mich nur einen einzigen Tag krankgemeldet. Also war es kein Wunder, dass meine Rückkehr ins Büro am nächsten Tag eine gewisse Aufmerksamkeit erregte. Es war der Tag nachdem mein Freund und ich uns getrennt hatten – nach elf Jahren Beziehung. Meine Chefin Amanda kannte den wahren Grund meiner Abwesenheit. Aber für die restliche Belegschaft war mein Verschwinden einen ganzen Mittwoch lang ein faszinierendes, hochinteressantes Mysterium. Das zeigt, was im Alltag einer Zeitschriftenredaktion als aufregendes Ereignis gilt. Dabei strotze ich keineswegs vor Gesundheit, bin aber sehr abergläubisch. Wenn ich mich krankmelde, ohne dem Tod ins Auge zu blicken, habe ich Angst, mir irgendwie tatsächlich eine ernsthafte Krankheit einzufangen. Wegen eines schlichten Schnupfens blauzumachen, und einen Tag Wiederholungen von Das perfekte Dinner zu gucken, bedeutet für mich, das Universum praktisch zu einem Karzinom herauszufordern – lohnt sich also nicht. Meine Kollegin Ticky jammert dauernd, es sei unfair von mir, meine Keime ins Büro mitzuschleppen. Wann immer ich huste, setzt sie einen Mundschutz auf und wischt ihren Schreibtisch mit Sagrotan ab. Aber da ich sie niemals richtig arbeiten sehe, habe ich auch nicht den Eindruck, dass sie das wirklich bei der Arbeit stören würde, wie sie behauptet.
Würde ich in einem Büro arbeiten, das technologisch auf der Höhe der Zeit ist, und externen Zugriff auf meine Mails haben, hätte ich behauptet, im »Homeoffice« zu arbeiten, obwohl jeder weiß, dass das nur ein hübsches Wort dafür ist, den ganzen Tag in einem Café rumzuhängen, Kuchen zu essen und ab und zu einen Blick in die E-Mails zu werfen. Aber bei Country House (gegründet 1886, gelesen von etwa 1886 Leuten) war ein Blackberry nur eine Brombeere und wurde lediglich in der Septemberausgabe unter Titeln wie Brombeermarmelade – so lösen Sie Ihre Schimmelprobleme erwähnt.
Meine Rückkehr ins Büro stieß auf gewaltiges Interesse. Jemanden wie Noonoo von Humboldt, die regelmäßig Artikel für unser Magazin schrieb, hätte es zweifellos entzückt, derart viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Sie war langbeinig, tuntig frisiert, und spätestens seit sie für Hello! fotografiert worden war, erwartete sie geradezu, ständig im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Wie auf einem Catwalk stolzierte sie durch die Korridore unserer Redaktion und warf ihren Paschmina-Schal mit einer Nonchalance über die Schulter, die auf langjährige Übung schließen ließ. Im Gegensatz zu ihr hatte ich bei Country House stets den Kopf eingezogen, buchstäblich wie symbolisch, und auch an diesem Tag fixierte ich stoisch den Teppich, während ich durch den Büroflur zur Personalküche eilte. Dort wollte ich mich ein paar Minuten verstecken und Kräfte sammeln, bevor ich von allen Leuten verhört werden würde. Aber ich hätte wissen müssen, dass ich für ein eingefleischtes Klatschmaul in dieser Situation ein gefundenes Fressen war. Hinter dem Kühlschrank sprang, die Nüstern gebläht, Ticky Lytton-Finch hervor, meine Bürokollegin und selbst ernannte Schulter zum Ausweinen.
»Aurora Carmichael, mein Gooott, was ist denn looos?«
»Oh – Hi, Ticky.« Resignierend wickelte ich den Schal von meinem Hals. Ein Fluchtversuch war sinnlos. Bestenfalls durfte ich hoffen, ich käme ohne hysterischen Zusammenbruch davon. So, wie ich mich gerade fühlte, war diese Hoffnung unbegründet.
»Wimmle mich nicht mit ›Oh – Hi‹ ab, Rory! Wo bist du gewesen? Sag bloß nicht, du warst krank! Wo du doch keine Chance verpassen würdest, deine bösartigen Keime auf meinen Schreibtisch zu husten!«
»Nein, ich war nicht krank«, gestand ich.
»Aber du siehst fuuurchtbar aus.« Ticky trat näher. »Was ist passiert?«
»Ich habe mit Martin gestritten«, erklärte ich und spürte, wie sich meine Kehle verengte. Damit mein Kinn nicht zitterte, presste ich die Lippen ganz fest zusammen. Vor Ticky, dem emotionalen Vampir der Redaktion, durfte ich keinesfalls weinen. Sie lebte geradezu vom Elend und den Dramen anderer Leute. Allein schon bei der Andeutung von Tränen leuchteten ihre braunen Knopfaugen auf. Schon fünfzig Schritte vor der Damentoilette konnte sie eine schluchzende Assistentin erschnüffeln, die sich darin verkrochen hatte. Seit zwei Jahren arbeitete sie hier, und ich hatte oft genug beobachtet, wie sie ihre arglosen Opfer ausquetschte und ihren Seelen selbst die
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