Verhängnisvolles Gold
lasse. »Vielleicht sollte ich sie wirklich telefonisch vorwarnen.«
»Zara, du stehst praktisch vor der Tür. Anrufen macht keinen Sinn«, sagt Issie, während sie den Hebel der Automatikschaltung auf Parken stellt.
»Stimmt«, verkündet Cassidy. Sie klopft mir mit der Hand auf den Oberschenkel. Der Stoff meines Kleides raschelt, während ich das Haus mit dem Schindeldach, der gemütlichen Veranda und den Bäumen drum herum betrachte. Es wirkt so ruhig und friedlich, gar nicht so, als würde ein Wertiger dort leben oder als hätte ein Elfenkönig es einst verwüstet.
»Sie bringt mich um«, sage ich.
Issie stellt den Motor ab, während sie tröstliche Worte murmelt, und Devyn meint ganz sachlich: »Klar. Sollen wir mit reinkommen?«
Ich denke kurz darüber nach. »Ja und nein. Ich möchte nicht, dass ihr alle mitbekommt, wie sie mich anbrüllt, aber ich will auch nicht, dass sie mich in Stücke reißt, ihr wisst schon, buchstäblich in Stücke reißt. Sie macht das mit Elfen.«
»Ich hab’s gesehen.« Issie schaudert.
Ich stoße die Autotür auf. Cassidy packt mich am Handgelenk und hält mich auf, bevor ich zu weit weg bin. »Bist du sicher, Zara?«
Ich nicke. »Ja. Und ihr kommt gut nach Hause, ja?«
»Na, klar«, zwitschert Issie selbstsicher und stolz. »Immerhin sitze ich am Steuer.«
Ich will gerade noch sagen, dass sie besonders vorsichtig sein soll, da rieche ich Astley. Er landet und steht groß und ruhig vor mir im Schnee. Wenn Issie was über Selbstvertrauen lernen will, sollte sie sich an ihm orientieren. Er ist ein Paradebeispiel. Während ich ihn nur anschaue, sagt er mit schief gelegtem Kopf: »Das wird sicher nicht leicht für dich, Zara. Soll ich dich begleiten?«
»Das haben wir ihr auch schon angeboten«, ruft Devyn durch das heruntergelassene Autofenster. Seine Stimme klingt schnippisch. »Warum verschwindest du nicht, bevor du noch mehr Schaden anrichtest? Und wie heißt deine Mutter eigentlich?«
Astley nimmt ihn gar nicht zur Kenntnis, sondern lässt den Blick fest auf meinem Gesicht ruhen. Ich schüttle den Kopf.
»Da muss ich allein durch.« Ich senke die Stimme, damit die anderen mich nicht hören. »Kannst du ihnen folgen? Sorg dafür, dass ihnen nichts passiert, vor allem Issie nicht, wenn sie die anderen abgesetzt hat. Verbirg dich aber, damit sie es nicht merken, ja?«
Er presst die Lippen zusammen und nickt dann langsam.
Ich winke Issie zu. »Alles klar bei mir, Leute. Ihr könnt fahren.«
Sie lässt den Motor wieder an, und Devyn schreit aus dem Fenster: »Mach keine Dummheiten, Elf.«
»Er heißt Astley«, rufe ich zurück, aber Devyn zieht nur die Augenbrauen hoch, während sich das Beifahrerfenster schließt. In diesem Augenblick geht die Haustür auf und Betty erscheint. Ihr dunkelblau karierter Flanellschlafanzug hängt von ihren breiten Schultern und ihre kurz geschnittenen grauen Haare sind verstrubbelt. Das Herz rutscht mir in die Hose. Astley streckt die Hand aus, um mich zu stützen.
»Bist du sicher, dass ich nicht bei dir bleiben soll?« fragt er mit leiser, belegter Stimme.
»Ja. Bitte kümmere dich um die anderen. Ich muss das hier allein machen.« Ich hole tief Luft und mache einen Schritt nach vorn. »Trotzdem danke.«
Er hebt sich in die Lüfte und verschwindet in den weißen Schneeflocken und der Dunkelheit. Die Nacht scheint irgendwie noch kälter geworden zu sein, als ich durch den Schnee zur Veranda stapfe. In dem gelben Licht dort steht Betty und schaut mir entgegen. Sie sagt nichts, und das macht alles noch viel schlimmer. Denn sonst sagt Betty immer was, gibt Weisheiten von sich oder reißt dreckige Witze oder sonst was.
In diesem Augenblick wird mir klar, was ich ihr angetan habe. Ich habe sie einfach hilflos warten lassen, während ich verschwunden bin und ein Elf wurde. Und dann bin ich auch noch zu diesem verdammten Ball gegangen. Und sie musste die ganze Zeit warten, in dem Wissen warten, dass ich sterben könnte und sie könnte nichts dagegen tun. Ich habe ihr das angetan, weil ich unbedingt Nick helfen wollte, weil ich die Initiative ergreifen wollte. Weil ich endlich ein Held sein wollte.
In mir scheint alles zu erstarren, um dann in kleine Eisscherben zu zerbrechen. Der Atem bleibt mir in der Brust stecken, aber ich schaffe es, einen Schritt nach dem anderen zu machen. Dann stößt mein Fuß gegen das Holz der Veranda. Betty schluckt so laut, dass ich es tatsächlich hören kann, aber das kann auch an meinem neuen Elfengehör
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