Verirrte Herzen
anzutreten.
Kaum im Auto, schlief Lilly vor Erschöpfung sofort ein. Auch Anne und Caro schwiegen müde und glücklich. Es war ein anstrengender Tag gewesen, aber wunderschön, einfach perfekt.
»Steht endlich auf.« Lilly stand an Annes und Caros Bett und rüttelte ihre Mutter wach.
Im ersten Moment wusste Anne gar nicht, was los war. Aus der anderen Ecke des Bettes kam nur ein leise gemurmeltes »Guten Morgen« von Caro.
Anne streckte sich und rieb sich verschlafen die Augen. Es war nicht einmal sechs Uhr, stellte sie mit einem widerwilligen Blick auf die Leuchtziffern fest, die ihr unverschämt fröhlich von ihrem Nachttisch entgegenstrahlten.
»Wir stehen gleich auf. Du kannst ja solange ein bisschen spielen«, schlug Anne vor.
Aber ihre vierjährige Tochter zeigte sich von dieser Idee wenig begeistert und zerrte statt dessen weiter an ihr herum. »Nein, ich möchte nicht spielen. Steht doch endlich auf«, nörgelte sie. Schließlich war heute ihr erster Tag im Kindergarten. Lilly freute sich schon seit Wochen darauf.
Ganz im Gegensatz zu Anne. Sie musste zum ersten Mal ihre Tochter für einige lange Stunden fremden Personen überlassen. Bei dem Gedanken daran wurde ihr ganz flau in der Magengegend, und sie zog sich die Bettdecke über den Kopf. Wenn sie einfach liegenbleiben würde, wäre es vielleicht irgendwann zu spät, um ihre Tochter im Kindergarten abzugeben.
»Was ist denn mit dir los, meine Liebste?« fragte Caro und zog amüsiert die Mundwinkel nach oben, als sie bemerkte, dass Anne sich lieber unter der Bettdecke verkroch als aufzustehen.
Zur Antwort bekam Caro nur ein leises Gemurmel.
Belustigt zog sie Anne die Decke weg. »Na komm, erzähl mir, was dich bedrückt. Ich habe ja schon eine leise Ahnung.«
Anne stöhnte. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ist, den ganzen Morgen allein hier zu sein. Wenn ich daran denke, fehlt Lilly mir jetzt schon schrecklich. Ich glaube, ich überstehe das nicht«, versuchte Anne ihre Gefühle in Worte zu fassen.
Caro lächelte ihr aufmunternd zu. »Keine Angst, du wirst das schaffen. Jetzt aber raus aus den Federn, sonst verpasst Lilly noch ihren ersten Tag im Kindergarten. Das willst du doch sicher nicht. Sie freut sich schon so sehr.«
Lilly blieb vor Schreck der Mund offenstehen. »Nein Mama, ich will den Kindergarten nicht verpassen«, protestierte sie lautstark, während sie Anne verängstigt ansah.
Angesichts dieser Hartnäckigkeit, die ihr die beiden entgegenbrachten, blieb Anne nichts anderes übrig, als sich tatsächlich aufzuraffen. »Keine Sorge, mein Schatz. Du kommst rechtzeitig in den Kindergarten«, beruhigte sie ihre Tochter.
Noch ein wenig verträumt beobachtete Caro, wie Anne versuchte ihre dunklen, langen Locken mit einem Haarband zu einem Zopf zu bändigen und kurz darauf verzweifelt aufgab. Sie sah wirklich umwerfend aus. Ihre Rundungen zeichneten sich unter dem roten Schlafanzug deutlich ab, und am liebsten hätte Caro sie einfach wieder ins Bett zurückgezogen.
Aber Anne, die diesen Gedanken zu erraten schien, warf ihr aus funkelnden, dunkelbraunen Augen einen bösen Blick zu und stemmte theatralisch die Hände in die Hüften. »Denk gar nicht daran. Du hast mich gerade eben gezwungen aufzustehen. Jetzt hast du leider Pech.«
»Also gut«, ergab sich Caro in ihr Schicksal und kletterte ebenfalls aus dem Bett. »Ich mache uns dann wohl mal Frühstück.« Und schon war sie in der Küche verschwunden.
Unterdessen half Anne ihrer Tochter sich anzuziehen und die Zähne zu putzen.
Wenig später saßen sie gemeinsam am Esstisch.
»Sind die anderen Kinder nett?« wollte Lilly wissen. Jetzt wurde sie plötzlich doch ein bisschen ängstlich.
Aber anstatt zu antworten, blickte Anne gedankenverloren auf den Boden ihrer Kaffeetasse. Bald wäre ihre Kleine weg und sie ganz allein. Sie seufzte schwer. An diese Vorstellung musste sie sich wohl oder übel gewöhnen, so schwer es ihr auch fiel.
»Du brauchst keine Angst zu haben. Im Kindergarten ist es bestimmt ganz toll«, antwortete Caro an Annes Stelle und nickte Lilly aufmunternd zu. »Oder, Anne?« versuchte Caro ihre Freundin in das Gespräch einzubeziehen.
»Ja, bestimmt«, nuschelte Anne.
»Ich muss los, du schaffst das. Und wenn es zu schlimm wird, ruf mich an.« Caro umarmte Anne liebevoll und gab ihr einen zärtlichen Abschiedskuss, ehe sie sich auf den Weg zur Arbeit machte.
Wie gut, dass es Caro gab. Sie war einfach die wundervollste Partnerin, die sie an ihrer Seite
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