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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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begutachtet die Schleimspur auf der Haut.
    Ich checke instinktiv mit meiner Zunge unter meiner Nase und tippe glatt meine Nasenspitze an.
    Wow, was für ein Waschlappen. Und es schmeckt nicht kalt, salzig und glitschig, sondern nach Kirsche! Langsam fahre ich mir mit der Zunge im Kreis über meine Lippen, Kirsche, einmal rum, meine Lippen schmecken nach Kirsche.
    Elizabeth schreit auf, mit meiner Stimme, allerdings etwas zu hoch, und läuft an Berntchen vorbei aus dem Klassenzimmer. Die anderen johlen. Alles redet und lacht und brüllt. Sobald sie samt meinem Körper aus der Tür ist, höre ich alle meine Spitznamen, bekannte und unbekannte, coole und weniger coole.
    Der Berntchen kommt auf mich zu, er kniet sich vor mich hin. Will er um meine Hand anhalten?
    Ich sage, – Die Antwort ist nein.
    Wie höre ich mich denn an?
    – Elizabeth, sagst du mir, was passiert ist? Habt ihr einen Stromschlag bekommen?
    Ich nicke, aber ich weiß, ich muss jetzt noch mehr sagen, ansonsten geht es mit Blaulicht durch die Innenstadt, – Und wir haben uns dabei erschrocken. Da sind wir mit den Köpfen zusammengerasselt.
    Ich reibe mir zum Beweis die Stirn, – Nicht so schlimm. Nur erschrocken.
    – Sicher? Möchtest du lieber zum Arzt?
    Kirsche.
    – Ich möchte lieber mal kurz auf Klo.
    – Klo, natürlich, Elizabeth, darfst du … zur Toilette.
    – Ich checke auch Frank.
    – Checken?
    Ich benutze nicht ihre Worte, er merkt, dass ich nicht so rede wie sie.
    – Ich klopfe und frage mal, wie es ihr geht … ihm geht!, korrigiere ich mich schnell.
    Er guckt mich ernst an, – Gut. Wirklich alles in Ordnung mit dir?
    – Ja.
    Wir stehen auf.
    – Bis gleich, sage ich.
    – Sag ihm, er soll sich bloß nicht einfallen lassen, einfach abzuhauen. Er soll auf jeden Fall wieder zurückkommen.
    – Mache ich.

9

    Spiegel. Spiegel. Ich muss zu einem Spiegel. Halb laufe ich, halb gehe ich durch den Flur, meine Knie weich. Kopfschmerzen. Der Gang ist leer. Im Glas der Schaukästen an den Wänden spiegelt sich meine Silhouette. Absichtlich versuche ich nichts Genaues zu erkennen, ich will nur zu einem Spiegel. Auch die Hände halte ich mir nicht mehr vor das Gesicht. Das darf nicht sein, das kann nicht sein, das glaube ich nicht, das gibt es nicht. Mir ist schlecht.
    Da ist endlich die Klotür. Aber anstatt sie aufzureißen und hineinzustürmen, ziehe ich sie langsam auf, als wäre ich ein Einbrecher. Ich spüre, wie die Angst vor der Wahrheit sich in mir ausbreitet. Wie eine weiße, glänzende Mauer steht die beschmierte Kachelwand zwischen mir und den Waschbecken mit den Spiegeln der Wahrheit.
    Jeder Schritt ist schwer. Aufgeregt atme ich ein und aus.
    Ich bleibe stehen. Wenn ich jetzt einen Schritt nach vorne mache, sehe ich das Unmögliche. Ich halte die Luft an wie ein Taucher vor dem Tauchgang. Dann beiße ich die Zähne zusammen und wage es.
    Bevor ich auch nur einen Blick in den Spiegel werfen kann, wirbelt Laura aus der Parallelklasse herum. Ihr Hemd ist aufgeknöpft, mit einer Hand hält sie das Körbchen ihres BHs auf, in der anderen hat sie eine Handvoll Taschentücher, die sie gerade hineinstopfen wollte.
    Ohne zu zögern, schleudert sie mir die Taschentücher ins Gesicht und kreischt los, – Du Schwein, du Sau!, und dann, so laut sie kann, über ihre Schulter, – Junge im Mädchenklo!
    Sofortiges Schreien und Kreischen aus allen Kabinen.
    Sie schubst mich zurück, – Du Spanner! Schnodder. Es ist Schnodder! Raus, du Perverser.
    Kopfschüttelnd taumele ich rückwärts aus dem Mädchenklo und schließe die Tür gegen Laura und den Lärm.
    Dumpf dringen die Verwünschungen und blindes Kreischen durch das Holz. Ansonsten ist es still.
    – Elizabeth.
    Mein Name, meine Stimme. Ich drehe mich um. Mein Körper.
    Ich bringe kein Wort über die Lippen.
    – Ich bin es, Frank.
    Schaut er traurig oder amüsiert? Mir steigen Tränen in die Augen, meine Lippen beben.
    – Nicht, sagt er in meinem Körper, – Nicht. Heul nicht. Nicht heulen. Nicht hier. Nicht in der Schule, nicht vor allen.
    – Aber …, mein erstes Wort mit dieser fremden Stimme.
    – Elizabeth, bleib ruhig, wir müssen reden, wir müssen uns jetzt etwas zusammen überlegen.
    Würgegefühl. Schwindel kündigt sich an, ich möchte mich gehenlassen, ohnmächtig werden, einfach weg sein.
    Betont ruhig schickt er hinterher, – Wir müssen jetzt zusammenhalten.
    Das klingt besser.
    Die Tür wird aufgestoßen und rammt in meinen Rücken. Ich

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