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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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zurückfallen lassen, damit wir nicht nebeneinander über den Schulhof latschen.
    Gleich nach der Doppelstunde Physik sind wir zum Berntchen und haben sein großzügiges Angebot angenommen, entschuldigt nach Hause gehen zu dürfen. Während der Berntchen meine Frage mit einem «Natürlich!» beantwortete, musste Elizabeth in meinem Körper ganz schön diskutieren.
    Mit ihrem Rucksack über der Schulter marschiere ich über den Schulhof. Es ist, als würden einige absichtlich Platz machen. Beobachtet fühle ich mich.
    Kann man uns ansehen, dass etwas anders ist?
    Etliche Jungs glotzen mich verstohlen aus den Augenwinkeln an. Ich bin gerade halb über den Hof, da kommt Eva angerannt. In Sport habe ich sie einmal umgelaufen, da hat sie ein Riesending draus gemacht, von wegen Absicht und sie müsse sofort duschen gehen, weil mein Schweiß an ihr kleben würde. Die Drama-Queen.
    Sie sieht besorgt aus. Die kurze Stirn unter ihren roten Haaren liegt in Falten.
    Sie legt einen Arm um mich und fragt mit einer RTL -Dokusoap-Kommentatorinnenstimme, – Wie geht’s dir?
    – Ich gehe nach Hause.
    – O.m.g., wie ist das denn passiert? Ich habe es leider nicht gesehen, habe grade eine SMS geschrieben.
    Ich will schon was über ihr englisch ausgesprochenes «o.m.g.» sagen, da fällt mir ein, dass ich das schon mal in einer SMS gelesen habe, kurz für: oh my god. Wer glaubt sie, wer sie ist? Ein MTV -Show-Girl?
    – Elizabeth, rede!
    – Weiß ich auch nicht. Wir sind einfach zusammengeschädelt.
    – Wo denn?
    – Am Kopf, wo sonst?
    Plötzlich verzieht sich ihr Gesicht, und sie deutet hinter mich, – O.m.g., da ist dieses Ekelpaket! Der Arsch verfolgt dich! Der Arsch ist ein Stalker! Stalking-Opfer. Du bist ein Stalking-Opfer, Elizabeth. Pass auf, wir gehen gemeinsam ins Lehrerzimmer. Da bist du sicher. Soll ich die Polizei rufen? Wer weiß, wozu der fähig ist. Ich ruf die Polizei.
    – Ruf besser bei Atemgold an.
    – Warum?
    – Du stinkst aus dem Mund.
    – Was?
    Sie bleibt stehen und atmet in ihre Hände, um sich selbst riechen zu können.
    Ich gehe weiter, durch das Tor, die Mauer entlang bis zum Ende der Straße, wo ich mit dem Rücken an der Wand auf Elizabeth warte.
    Sobald sie aus dem Tor ist, läuft sie zu mir.
    – Was hat Eva gesagt?
    – Dies das.
    – Los, sag!
    – Ihr hängt miteinander ab, stimmt’s?
    – Ja, und?
    – Sie hat dich gesehen, also mich, hatte nicht viel Nettes über mich zu sagen.
    – Die ist zu allen so. Die redet so auch hinter meinem Rücken über mich. Also, wo sollen wir hin?
    Ich zucke mit den Schultern und frage mich, wie Elizabeth sonst über mich redet.
    Sie schaut sich nach allen Seiten um, als ob sie einen Ausweg sucht, hält mit einem Mal inne und schleicht dann zu einem geparkten Lastwagen.
    – Elizabeth, sage ich, aber sie reagiert nicht. Und im gleichen Moment frage ich mich, wie das für einen Außenstehenden aussieht, wenn ich einem Kerl Elizabeth hinterherrufe!
    Sie zieht sich am Fahrerhaus hoch. Es ist ein alter Umzugslaster, dessen weiße Farbe vergilbt ist. Beulen, Kratzer und Rostflecken überziehen den Lack. Mit einem Fuß steht sie auf der Metallsprosse zur Fahrertür, der andere schwebt frei. Ihre linke Hand umklammert den Türgriff, ihre rechte die silberne Halterung des Außenspiegels, in den sie jetzt hineinschaut.
    Ich lächle.
    Sie lässt sich wortlos zurück auf den Bürgersteig fallen, beugt sich vor und kotzt neben den Vorderreifen. Sie will gar nicht mehr aufhören, würgt laut.
    So viel habe ich doch gar nicht gegessen.
    Ich gehe langsam auf sie zu und sage, – Hey, das ist nicht nett.
    – Nein, bringt sie nur hervor.
    Von dem Colachipsbrei in der Gosse wandert mein Blick über meinen krummen, bebenden Rücken hoch zu dem Außenspiegel. Magisch zieht er mich an. Wie sie zuvor klettere ich hinauf und schiebe mein Gesicht vor den unebenen Spiegel. Von links unten nach rechts oben verläuft ein Riss. Egal. Ich kann nicht anders, als, – Wow!
    Elizabeth röhrt einen trockenen Rülpser, schüttelt sich und stöhnt.
    Sie zieht die Nase hoch und klopft meine Taschen nach irgendwas ab, findet mein Schweizer Messer und fischt es heraus.
    – Was ist das denn?, fragt sie.
    – Mein mobiler Werkzeugkasten.
    – Ein Messer, du trägst ein Messer mit dir herum?
    – Ein Schweizer Messer. Klappmesser mit etlichen anderen wichtigen und nützlichen Funktionen.
    Sie steckt es wieder weg.
    – Was suchst du denn?, frage ich.
    – Taschentuch.

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