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Verkehrt!

Verkehrt!

Titel: Verkehrt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thorsten Nesch
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aus den anderen Sachen am Boden. Ich rupfe ein paar Blätter ab und wische über das Buch. Die Druckfarbe verschmiert. Es sieht schlimmer aus als vorher, und ich schmeiße es samt Klopapier zurück neben das Bett.
    Hoffentlich muss ich ihm das nicht neu besorgen!

3

    Zum Frühstück gibt es Früchtemüsli mit Quark, Körnern, Orange, Apfel und Weintrauben mit frischer Vollmilch in einer großen Schale aus blauem Glas, dazu eine Tasse heiße Schokolade und ein Streichkonzert aus dem Radio.
    Ich sitze an unserem großen hellbraunen Küchentisch, im Mund breitet sich der frische Geschmack von gewürfelten Orangen mit Quark aus, während meine Augen auf dem schwingenden Pendel der Kuckucksuhr aus dem Familienbesitz väterlicherseits ruhen.
    Das Radiokonzert ist zu Ende.
    Unser silberner amerikanischer Kühlschrank schaltet sich rappelnd an, als würde ihm ein Schauer über den Rücken laufen.
    Meinen Kakao trinke ich erst nach dem Müsli, ich mische ungern süß und fruchtig.
    Der Nachrichtensprecher im Lokalradio erzählt von einer Reform im Gesundheitswesen, der Zusammenlegung aller Krankenkassen zu einer einzigen, die Börsenkurse notieren schwächer, Leverkusen kann Deutscher Meister werden, und es sollen heute wieder achtunddreißig Grad werden, bei einer besonders hohen Luftfeuchtigkeit.
    Ich räume meine Tasse zusammen mit der Schale in die Geschirrspülmaschine. Dann gehe ich ins Wohnzimmer. Bis Mutti fertig ist, habe ich locker noch zehn Minuten.
    Theo begrüßt mich. Unser Beo sitzt auf dem künstlichen Baum in der großzügig für ihn hergerichteten Ecke vor der Terrasse und spreizt seine kupierten Flügel – Guten Morrrrrgen, Elizabeth, guten Morrrrrgen.
    – Guten Morgen, Theo.
    – Gut siehst du aus, siehst du aus!
    Bei jedem zweiten Wort zuckt sein Kopf nach oben.
    – Danke, du auch, sage ich.
    – Danke, danke. Fürchte dich nicht, derrrr Silberrrne Surrrfer steht den Bedrrrrängten bei.
    – Ja, ja.
    Die Schiebetür der Fensterwand steht offen, und so schreite ich an der Ledergarnitur neben der Bar und dem Glastisch vorbei auf die Terrasse, wo ich den Gesang der Vögel und die frühe Morgensonne genieße.
    Still liegt das hellblaue Wasser unseres Swimmingpools in der Sonne, daneben der halb in den Boden versenkte Whirlpool unter der maßgefertigten hölzernen Abdeckung.

4

    – Rotzekacke, murmele ich vor mich hin und finde einen Mars-Riegel zwischen zwei unterschiedlichen Socken.
    Super, wie der Tag anfängt.
    Außen ist das Mars schon verkrustet, aber allemal besser, als mit leerem Magen loszugehen.
    Eine Chipstüte knistert unter meinen Füßen. Ich hebe sie auf und schütte mir die Krümel in den Hals. Dann setze ich die Cola-Dose an und trinke. Lauwarm und abgestanden. Frühstück für Champions.
    Etwas Festes schwappt durch meine Lippen bis in meinen Mund. Sofort spucke ich den Schluck Cola in meine Hand. Es tropft zu allen Seiten auf den Boden. Eine Schmeißfliege schimmert grünlich zwischen meinen feuchten Fingern. Tot. Ertrunken. Überdosis Kokain.
    Mit dem Zeigefinger der anderen Hand flitsche ich sie Richtung Mülleimer. Bei ihrem letzten Flug verfehlt sie ihr Ziel und landet an der Heizung, wo sie kleben bleibt. Dann stürze ich den Rest Cola runter.
    Ich zwänge meine Füße in die Sneakers. Angezogen bin ich. Das ist das Gute, wenn man in seinen Klamotten schläft. Unter mir knirschen und knistern Verpackungen und einzelne verstreute Chips, als ich mein Zimmer verlasse.
    Sobald ich im Flur bin, höre ich das Gejammer von Tom Waits aus dem Schlafzimmer meines Erzeugers. Ein Song von einer der frühen Scheiben. Nur weil ich seit meiner Geburt fünfzehn Jahre lang nichts anderes von meinem Vater höre, weiß ich das.
    Unfassbar.
    In diesen vier Wänden gibt es keine Musik, nur Tom Waits.
    Der jammert und jault die ganze Nacht durch. Ohne kann Harry nicht schlafen, angeblich seit er so alt war wie ich. Das muss man sich mal vorstellen. Ich glaube, das ist der einzige Grund, warum sich hier noch kein Ungeziefer längere Zeit eingenistet hat. Allerdings bleiben seine Freundinnen auch nie lange.
    Meine Blase platzt gleich, ich ziehe die Klotür auf.
    Besetzt.
    Auf dem Lokus sitzt wieder ein Exemplar von Harrys Freundinnen: nackt, rot gefärbte Haare, Studentin, schreiend, die Augen aufgerissen und die Arme vor den Brüsten kreuzend.
    – Rotzekacke, fluche ich und knalle die Tür zu.
    Ihr spitzer Schrei verstummt. Ich höre sie irgendetwas durch die geschlossene Tür sagen, aber ich

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