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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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Knochen. Ich hörte den Motor dröhnen und mein Herz hämmern. Ich saß fest. Das Auto meiner Mutter hing schräg auf einem mit kleinen Sprösslingen bewachsenen Hang – der moorigen Uferböschung eines kleinen Baches.
    Als ich die Stimme wiedererlangt hatte, begann ich zu fluchen. Mein Handy befand sich in meiner Sporttasche, die noch auf dem Fußballplatz lag.
    Mit den Fäusten hämmerte ich aufs Lenkrad und riss daran. Vergeblich versuchte ich die Tür auf der Fahrerseite zu öffnen. Ich kletterte auf den Beifahrersitz und versuchte es dort. Ein Tritt mit den Stollenschuhen brachte schließlich den Erfolg.
    Ich riss mir die verschwitzten Schienbeinschoner heraus und warf sie auf den Rücksitz. Dann rollte ich die Stutzen hinunter und lockerte die Schnürsenkel; unser Trainer ließ sie uns immer extrafest schnüren, damit wir ein besseres Ballgefühl hatten. Meine Mutter hatte für Notfälle stets eine Taschenlampe im Handschuhfach. Ich nahm sie und ließ mich in den Bach hinabgleiten. Das Wasser war eiskalt an den Beinen. Mit dem Rücken gegen das Auto gelehnt bewegte ich mich wie ein Krebs am Ufer entlang. Anschließend zog ich mich an den Sprösslingen den Hang hinauf und schaute mich um.
    Die Straße war nicht zu sehen. Offenbar lag sie weiter oben. Doch als ich die Lampe herumschwenkte, konnte ich im Lichtkegel die grauschwarzen Umrisse eines kleinen Hauses erkennen.
    Ich hielt die Lampe vor mich und drückte die Blätter damit auseinander. Vielleicht stand dort jemand und ich konnte sein Handy benutzen.
    Wie dumm von mir. Ich bin so blöd.
    Ich hatte aufgehört zu heulen und auch die unbändige Wut fiel langsam von mir ab. Plötzlich fühlte ich mich leer und unbeholfen.
    Was ist bloß los mit mir? Warum tue ich solche Dinge?
    Das kleine Haus im Wald war schwieriger zu erreichen, als ich gedacht hatte. Der Untergrund war uneben und ich rutschte immer wieder aus. Der Lichtkegel der Taschenlampe spiegelte sich in den Fenstern. Im Inneren brannte kein Licht. Ich fragte mich, wie es überhaupt dort stehen konnte. Ich sah weder eine Straße noch eine Zufahrt oder auch nur einen Pfad, der dorthin führte. Fast konnte man glauben, es wäre aus dem Boden gewachsen.
    Die Wände bestanden aus groben Brettern wie bei alten Ställen. Ich ging um das Haus herum nach vorn und gelangte an eine Tür, auf der ein großes Z zu sehen war. Auch nach mehrmaligem Klopfen öffnete niemand. Da mir die Füße wehtaten, setzte ich mich auf die kleine Terrasse, zog mir die Schuhe aus und rieb mir die Zehen. Der Lichtkegel der Taschenlampe schien gen Himmel ins Unendliche.
    Die Scheinwerfer des Autos leuchteten von der Uferböschung aus noch immer in einem seltsamen Winkel in den Wald. Ich hätte sie ausschalten sollen. Wahrscheinlich verbrauchte sich jetzt die Batterie oder was auch immer geschieht, wenn man sie anlässt.
    Ich überlegte, ob ich versuchen sollte, zum Fußballplatz zurückzulaufen. Meine Mutter würde so stocksauer sein, dass ich für ein Jahr Stubenarrest bekäme. Ich hämmerte mir mit den Fäusten auf die Oberschenkel und wieder schossen mir die Tränen in die Augen. Der Führerschein . Er gehörte mir. Ich hatte ihn mir verdient.
    Manda hatte sicher große Angst, weil ich einfach den Wagen genommen hatte. Ich schob sie in den Teil meines Kopfes, in dem ich alles aufbewahrte, worüber ich im Moment nicht nachdenken wollte. Irgendwie musste ich aus dieser Situation herauskommen, damit ich damit anfangen konnte, alles, was ich zerstört hatte, wieder zu reparieren.
    Vielleicht …
    »Hallo«, sagte eine Stimme hinter mir.
    Ich war nie schreckhaft gewesen, doch jetzt machte ich einen großen Satz zur Seite und stieß auch einen kurzen Schrei aus. Es war eine sehr tiefe Männerstimme gewesen, die so rau war, dass sie mich bis ins Mark erschütterte.
    Mit erhobenen Fäusten fuhr ich herum; niemand war zu sehen. Doch die Tür, die große Holztür mit dem Z darauf, war verschwunden. Stattdessen war vor mir jetzt ein großes schwarzes Rechteck. Das Haus stand offen.
    »Was hast du erwartet?«, fuhr die tiefe Stimme fort. »Dass ich sage: Tu dir keinen Zwang an und trete frank und frei ein?«
    Ich hatte nicht gehört, wie die Tür geöffnet wurde, nicht das leiseste Geräusch. Und noch immer konnte ich niemanden sehen. Die Taschenlampe zu meinen Füßen leuchtete weiter zu den Sternen hinauf. Ich griff danach, als die Stimme erneut erschallte.
    »Mein Gott, du bist jung, oder? Ein Mädchen. Was machst du hier ganz allein?

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