Verlockende Versuchung
deine Fußstapfen treten und ein ehrbares Leben führen - obwohl ich mir nichts Langweiligeres vorstellen kann! «
Alle, die mit den ungleichen Brüdern näher bekannt waren, wussten von deren scherzhaftem Umgang miteinander.
In der Zwischenzeit war Sebastian damit beschäftigt, die Verletzte aus ihrem Kleid zu schälen.
Als es bei den übrigen Kleidungsstücken auf dem Teppich lag, zog Justin tief die Luft ein. »Sieh doch nur. Sie ist nicht angeschossen, sondern niedergestochen worden.«
Sebastians Blick heftete sich auf eine ausgefranste Einstichstelle an der rechten Seite ihres schmalen Körpers. Wenn sie Glück hatte, war die Klinge an einer der Rippen abgeglitten. Dann wäre die Verletzung nicht tödlich, und die Blutung würde bald aufhören.
Stokes hatte unbemerkt ein Tablett mit Leinentüchern und Wasser neben das Bett gestellt. Sebastian griff nach einem Stoffballen und drückte ihn auf die Wunde, während er mit der anderen Hand die Schulter der Verletzten hielt. Doch schon kurze Zeit später begann ein verräterisches Purpurrot durch das Leinen zu sickern. Er fluchte und verstärkte den Druck.
Das Mädchen wand sich unter seinen Händen. Die zierlichen Schultern hoben sich, und sie stieß einen Schrei aus, der ihm durch Mark und Bein ging. Sie drehte den Kopf, und Sebastian bemerkte, dass ihre Augen geöffnet waren und ihn direkt anblickten. Beinahe flehend schienen sie ihm etwas sagen zu wollen. Ungewöhnliche, funkelnde Augen mit einem Schimmer von Gold ... die sich nach dem Leben verzehrten. Sie war Jung, höchstens zwanzig, schätzte er.
Sebastians Bemühungen zahlten sich aus. Nach kurzer Zeit war die Blutung gestillt. Mit Justins Hilfe legte er einen dicken, sauberen Umschlag an und wickelte mehrere Schichten Leinen um den zarten Körper, um die Kompresse zu fixieren.
Erst j etzt erlaubte der Marquess durchzuatmen. Mit einem Tuch wischte er sanft den Schmutz von den Wangen des Mädchens.
»Sie ist beängstigend blass«, beobachtete Justin.
»Das sehe ich selbst!« Sebastian war ihr aschfahler Teint keineswegs entgangen - genauso wenig wie der Rest von ihr. Sie war von lieblicher Statur, ihre Gliedmaßen geschmeidig und schlank, ähnlich wie bei seiner Schwester Julianna. »Himmel, ich hätte sie zu einem Arzt bringen sollen.« Es war, als spräche er mit sich selbst.
»Und wo hättest du jemanden zu dieser unwirtlichen Nachtzeit auftreiben sollen?« Justin legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Außerdem vertraue ich dir weit mehr als jedem Doktor.« Sein Tonfall wurde lauter. »Mein Bruder der Held, der sich aufopferungsvoll um die Verwundeten auf dem Schlachtfeld kümmert. Ich würde behaupten, dein Erfahrungsschatz in solchen Dingen ist größer als der mancher Ärzte.«
Sebastian konnte ihm weder zustimmen noch widersprechen. Er war stolz, seiner Heimat beim Kampf gegen Napoleon gedient zu haben, aber nach seiner Rückkehr vom Festland war er froh gewesen, die dunklen Kriegserinnerungen in den hintersten Winkel seines Gedächtnisses zu verbannen. Niemals hätte er geglaubt, seine Fähigkeiten jemals wieder unter Beweis stellen zu müssen besonders nicht in seinem eigenen Haus!
Behutsam drehte er seine Patientin auf den Rücken.
Völlige Stille trat ein. Vielleicht hatte es beiden Männern den Atem verschlagen. Vielleicht waren sie auch nur zu beschäftigt gewesen, um die Verletzte tatsächlich wahrzunehmen. Aber nun starrten beide, Sebastian und Justin, gebannt auf die wunderschöne junge Frau, ohne sich gegen den Zauber wehren zu können, der von ihr ausging.
Justin versuchte das Unsagbare in Worte zu fassen. »Erinnerst du dich an die blassen Korallenrosen in den Gärten von Thurston Hall? Julianna liebt sie innig, erinnerst du dich? Ich glaube, sie wird Sonnenaufgang genannt ... « Es verging ein Augenblick des Schweigens. »Ihre Brustknospen«, flüsterte Justin sanft, »gleichen dieser Rose. «
Rasch warf Sebastian ein Laken über die nackte Haut des Mädchens. »Justin, um Himmels willen, sie ist krank 1 «
»Und ich bin nicht blind. Ebenso wenig wie du.«
Sebastian warf Justin einen mahnenden Blick zu. »Wenn Möglich, würde ich bei ihrer Pflege lieber auf deine lüsternen Kommentare verzichten.«
»Soll das heißen, du möchtest, dass ich mich zurückziehe?«
»Genau das«, sagte Sebastian streng. »Aber trage Stokes auf, mir mehr heißes Wasser zu bringen. Und Seife. Tansy soll eines von Julianna s Nachtgewändern heraussuchen.«
»Wie Ihr befehlt, Mylord. Bevor
Weitere Kostenlose Bücher