Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verlorene Illusionen (German Edition)

Verlorene Illusionen (German Edition)

Titel: Verlorene Illusionen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
Vom Netzwerk:
war, war von Herrn Rouzeau, dem Vorgänger und frühern Meister Jérôme Nicolas Séchards, eingerichtet worden. Das Wohnzimmer, das die verstorbene Frau Séchard modern eingerichtet hatte, wies ein fürchterliches Getäfel von grellblauer Farbe auf. Die Füllungen waren mit einer Tapete bekleidet, auf der man Szenen aus dem Orient erblickte, die mit Nußfarbe auf weißem Grund gemalt waren. Die Einrichtung bestand aus sechs mit blauem Schafleder überzogenen Stühlen; die Rücklehnen hatten die Form von Lyren. Die zwei Fenster lagen unter einem plumpen Bogen und waren ohne Vorhänge; man sah durch sie auf die Place du Mûrier. Auf dem Kamin standen keine Leuchter und keine Standuhr, und es hing auch kein Spiegel darüber. Frau Séchard war gestorben, ehe sie ihre Verschönerungspläne hatte ausführen können, und der Bär, der den Nutzen von Verbesserungen, die nichts einbrachten, nicht einsah, hatte sich nicht darum bekümmert. In diesen Raum führte pede titubante Jérôme Nicolas Séchard seinen Sohn und wies ihm auf dem runden Tisch eine Aufstellung des Inventars seiner Druckerei vor, die der Faktor unter seiner Leitung gemacht hatte.
    »Lies das, mein Junge«, sagte Jérôme Nicolas Séchard und ließ seine weinseligen Augen vom Papier zu seinem Sohn und von seinem Sohn zum Papier rollen. »Hier wirst du sehen, was für eine Perle von Druckerei ich dir übergebe.«
    »Drei hölzerne Pressen, von Eisenstangen gehalten, mit gegossener Platte ...«
    »Das ist eine Verbesserung, die ich gemacht habe«, unterbrach der alte Séchard seinen Sohn. »Mit all ihrem Zubehör, Farbenbehältern und Gestellen usw. eintausendsechshundert Franken.« – »Aber Vater,« sagte David Séchard und ließ das Verzeichnis sinken, »deine Pressen sind Gerümpel, die keine hundert Taler wert sind, und nur gut zum Feueranmachen.«
    »Gerümpel, Gerümpel!« rief der alte Séchard. »Nimm das Verzeichnis und komm mit hinunter! Du sollst sehen, ob eure Erfindungen, diese elende Schlosserarbeit, so laufen wie diese ausgeprobten, wackern alten Maschinen. Nachher hast du nicht mehr das Herz, brave Pressen zu beschimpfen, die wie Postwagen laufen und die noch dein ganzes Leben lang gehen werden, ohne die geringste Reparatur zu brauchen. Gerümpel! Freilich ein Gerümpel, womit du dir die Butter aufs Brot verdienen wirst. Gerümpel, das dein Vater zwanzig Jahre lang bedient hat, das ihm dazu verholfen hat, dich zu dem zu machen, was du bist.«
    Der Vater torkelte die holprige, abgetretene, unter seinen Schritten zitternde Treppe hinunter, und es sah aus, als ob er hinschlagen wollte; er öffnete die Gangtür, die in die Werkstatt führte, stürzte sich auf die erste seiner Pressen, die der Schlaue vorher hatte ölen und reinigen lassen; er deutete auf die starken Holzteile, die sein Lehrling gesäubert hatte.
    »Ist das nicht eine entzückende Presse?« fragte er.
    Es war gerade eine Vermählungsanzeige zu drucken. Der alte Bär ließ das Rähmchen auf den Preßdeckel herunter und den Preßdeckel auf die Platte, die er unter der Presse rollen ließ; er zog den Preßbengel, wickelte die Schnur ab, um die Platte zurückzuführen, und brachte den Preßdeckel und das Rähmchen mit einer Gewandtheit zurück, die einem jungen Bären Ehre gemacht hätte. Die also bediente Presse gab einen so reizenden Schrei von sich, daß es klang wie von einem Vogel, der sich an eine Scheibe gestoßen hat und rasch davonfliegt.
    »Gibt es eine einzige englische Presse, die imstande ist, so zu laufen?« fragte der Vater seinen erstaunten Sohn.
    Der alte Séchard lief hintereinander zur zweiten und zur dritten Presse und vollzog an jeder nicht minder geschickt das nämliche Manöver. Bei der letzten erblickte sein von Weindunst getrübtes Auge eine Stelle, die der Lehrling übersehen hatte; der Betrunkene fing gehörig zu fluchen an, nahm einen Zipfel seines Überrocks, um sie abzuwischen, wie ein Pferdehändler, der das Fell eines Pferdes, das zum Verkauf steht, glatt streicht.
    »Mit diesen drei Pressen hier kannst du ohne Faktor deine neuntausend Franken jährlich verdienen, David. Als dein künftiger Teilhaber erlaube ich nicht, daß du sie durch diese verfluchten gegossenen Pressen ersetzest, die die Schrift abnützen. Du hast in Paris Wunder zu sehen geglaubt, als du die Erfindung dieses verdammten Engländers gesehen hast. Er ist ein Feind Frankreichs, die Gießer hat er reich machen wollen. Ah! Stanhopemaschinen hast du anschaffen wollen! Ich danke für

Weitere Kostenlose Bücher