Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
Kapitel 1
Die Ereignisse, von denen ich nun berichten will, nahmen an einem Nachmittag im Dezember ihren Anfang, als ich Lady Harold Carrington und einige ihrer Freundinnen zum Tee eingeladen hatte.
Lassen Sie sich, werter Leser, von dieser einleitenden Bemerkung nicht in die Irre führen. Sie entspricht den Tatsachen (was bei meinen Bemerkungen stets der Fall ist). Aber wenn Sie jetzt eine Geschichte erwarten, die idyllische Szenen am heimischen Herd, aufgelockert durch ein wenig Klatsch aus dem Landadel, schildert, werden Sie eine herbe Enttäuschung erleben. Frieden und Harmonie sind meine Sache nicht, und es ist keineswegs meine Lieblingsbeschäftigung, Teepartys zu veranstalten. Ehrlich gesagt, würde ich mich lieber von einer Horde wilder, blutrünstiger Derwische durch die Wüste hetzen lassen. Ich würde es vorziehen, vor einem tollwütigen Hund auf einen Baum zu flüchten oder plötzlich vor einer Mumie zu stehen, die sich aus ihrem Grab erhebt. Lieber ließe ich mich mit Messern und Pistolen bedrohen, von Giftschlangen oder dem Fluch eines längst verstorbenen Königs.
Doch ehe man mir Übertreibung vorwirft, muß ich betonen, daß mir all diese Dinge – abgesehen von einem – bereits widerfahren sind. Allerdings merkte Emerson einmal an, im Fall einer Begegnung mit einer Horde Derwische würden nur fünf Minuten meiner Nörgelei ausreichen, daß sogar der sanftmütigste von ihnen Mordgelüste gegen mich entwickelt.
Emerson findet solche Bemerkungen witzig, und ich habe in fünf Jahren Ehe gelernt, daß man besser den Mund hält, wenn man den Humor seines Gatten nicht amüsant findet. Soll die Ehe gedeihen, ist es notwendig, sein Temperament ein wenig zu zügeln. Und ich muß zugeben, daß mir der Ehestand in vielerlei Hinsicht gefällt.
Während des besagten Nachmittagstees war ich unruhig, und das hatte auch mit Emerson zu tun. Das Wetter war abscheulich – trübes Nieseln mit gelegentlichen Graupelschauern. Deswegen hatte ich auf meinen gewohnten Spaziergang von siebeneinhalb Kilometern verzichten müssen. Allerdings waren die Hunde draußen gewesen und hatten sich im Schlamm gewälzt. Den Dreck verteilten sie auf dem Wohnzimmerteppich und auf Ramses …
Doch auf das Thema Ramses werde ich an geeigneter Stelle noch zu sprechen kommen.
Obwohl wir schon seit fünf Jahren in Kent wohnten, hatte ich meine Nachbarinnen noch nie zum Tee eingeladen. Keine von ihnen ist in der Lage, ein vernünftiges Gespräch zu führen. Sie können keine Kamares-Vase von einer prähistorischen Töpferei unterscheiden und wissen nicht, wer Sethos der Erste war. Zu diesem Anlaß jedoch war ich gezwungen, die gesellschaftlichen Formen zu wahren, was ich für gewöhnlich verabscheue. Emerson hatte ein Auge auf ein Hügelgrab geworfen, das sich auf Sir Harolds Besitz befand, und so war es nötig, daß wir – wie er es elegant ausdrückte – Sir Harold »Honig um den Bart« schmierten, ehe wir ihn um die Erlaubnis baten, Ausgrabungen durchzuführen.
Daß Sir Harold Honig brauchte, war Emersons eigene Schuld. Ich teile die Ansicht meines Gatten, daß es idiotisch ist, Füchse zu jagen, und ich mache es ihm auch nicht zum Vorwurf, daß er den Fuchs höchstpersönlich vom Feld eskortierte, als dieser kurz davor stand, gefangen oder zur Strecke gebracht zu werden, oder wie man das sonst sagt. Allerdings mache ich Emerson den Vorwurf, daß er Sir Harold aus dem Sattel gezerrt und ihn mit seiner eigenen Reitpeitsche verprügelt hat. Ein paar nachdrückliche Worte und die Entfernung des Fuchses hätten den gleichen Zweck erfüllt. Die Prügel waren überflüssig.
Ursprünglich hatte Sir Harold gedroht, Emerson anzuzeigen. Aber dann bildete er sich ein, das sei unsportlich, und sah davon ab. (Offensichtlich ist das Verfolgen eines einzigen Fuchses durch eine Horde Reiter und eine Meute Hunde nicht mit diesem Stigma belastet.) Mit körperlicher Gewalt gegen Emerson vorzugehen verbot sich aufgrund von Emersons Körpergröße und seines (nicht unverdienten) Rufs, ein Raufbold zu sein. Also mußte Sir Harold sich damit zufriedengeben, Emerson mit Nichtachtung zu strafen, wenn sie sich zufällig begegneten. Emerson fiel es nie auf, daß er mit Nichtachtung gestraft wurde, und so verlief alles friedlich, bis mein Gatte den Einfall hatte, Sir Harolds Hügelgrab auszuheben.
Es war ein recht hübsches Hügelgrab, soweit man das von einem Hügelgrab behaupten kann – etwa dreißig Meter lang und neun breit. Diese Denkmäler dienten
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